Die Installation von HANNAH KÜLLING nimmt die Empörung gegen die strukturierte Verantwortungslosigkeit als Anlass, Fragen nach den Existenzbedingungen von Kunstschaffenden zu stellen. Sie erfindet die Geschichte der Hannah Goll, welche als Künstlerin und Performerin die letzte mögliche Form des Protestes wählte, indem sie sich durch Selbstverbrennung das Leben nahm.
Unser Wirtschaftssystem dringt bis in die intimsten Bereiche der Kunstschaffenden. Der Brötchentanz meint den täglichen Tanz ums Brot. So geht es in der Installation auch um die Produktionsbedingungen der Kunstschaffenden allgemein.
Die Installation fragt auch nach geeigneten Ausdrucksformen der Kunst, und danach, wie sich eigene politische Haltungen, Wertvorstellungen und Ideale der Öffentlichkeit mitteilen lassen. Ihre künstlerischen Mittel sind Bilder, die aus Recherchen im Internet resultieren, aus Filmmaterial in Form von Stills, aus der Kunstgeschichte und aus aktuellen Medienberichten. Diese kombiniert sie mit eigenen Texten, und erzählt damit eine Geschichte über die fiktive Hannah Goll. Deren Selbstverbrennung wird zu einer Sozialen Plastik nach Joseph Beuys. Im ersten Raum ist eine Video-Arbeit zu sehen, die ein Pressebild von der Versteigerung des Schreis zeigt, das von einer Figur überlagert wird, die eine VendettaMaske trägt . Die Maske steht symbolisch für die OccupyBewegung. Sie spricht mit der Stimme von Gudrun Ensslin. In der Tonaufnahme aus dem Jahr 1969 erklärt diese, dass sie etwas gegen den diktierten Konsumzwang unternehmen wolle.
Für Hannah Külling zeigt die Auktion des Schreies von Munch bei Sothebys, welcher am 2. Mai 2012 gegen 120 Mio Dollar erziehlt hat, die Dekadenz der Marktwirtschaft, in die auch die Kunst eingebunden ist und lässt sie an anderer Stelle folgern: The only good artists I ever saw were dead. Dieser Ausspruch, welcher auf einer Stelltafel angebracht ist, erinnert daran, dass nur ein toter Indianer ein guter Indianer sei.
Die Künstlerin zeigt zudem Filmstills aus Goldrausch von Charlie Chaplin und aus Persona von Ingmar Bergman. In Goldrausch, gedreht während der Weltwirtschaftskrise 1925, thematisierte Charlie Chaplin, den Goldrausch, der ab 1896 mehr als hunderttausend Goldsucher an den Klondike-River führte.
Der Film Persona zeigt die Beziehung zweier Frauen, die in einem ungleichen Verhältnis zueinander stehen und schliesslich zu einer Person zu verschmelzen scheinen.
Der erste Raum bildet die Basis für den zweiten Raum. Im Werk Public Viewing ist die Figur der Elisabet Vogler, verkörpert von Liv Ullmann, zu sehen, welche eine Szene im Fernsehen sieht, die sie erschreckt die Hände vors Gesicht schlagen lässt. Es ist eine Aufnahme eines Mönches, welcher sich selber verbrennt. In Die Geste wird diese Form des Suizids mit einem Bild des sterbenden Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi erinnert.
Bereits im ersten Raum aber wird das Gefüge der Empörung gebrochen mit Fragen, die sich an die tote Künstlerin Hannah Goll richten, und ihre Tat in Frage stellen. Auf Protesttafeln sind diese neben ihr Gedicht gestellt, mit dem sie sich aus der Welt verabschiedet:
sinnlos verglüht
wenn gierig weiter Geld regiert
und ihr mit meiner Asche nicht
die Macht an jenen Orten brecht
wo sie der Existenz den Atem raubt
Hannah Goll 2010
Hannah Küllings Geschichte um Hannah Goll erstreckt sich über mehrere Jahre. Sie initiierte bereits anlässlich des 1. Todestages von Hannah Goll am 5. August 2011 auf der Bahnhofbrücke in Zürich eine Mahnwache und verteilte einen Flyer mit dem oben zitierten Gedicht. Im zweiten Raum erleben wir die oben erwähnte Szene des brennenden Mönches, wo sie kombiniert wird mit der verbrannten Künstlerin, die auf einem Bett liegt. Diese trägt an ihrem rechten Fuss eine Bandage aus Sackleinen, wie es Charlie Chaplin im Film getragen hat, nachdem er seinen Schuh gekocht und verspiesen hatte. Mit den Werken 2 Beds und 2 visions spielt die Künstlerin auch auf die Feststellung aus dem Jahr 1968 an, dass das Private politisch sei.