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Bromance and Sisterhood
Martin Jakob, Vicente Lesser, Vincent Locatelli, Reto Müller, Grégory Sugnaux
26.05.–02.07.2016

In Bromance and Sisterhood stehen Künstlerfreundschaften und die Lust am Zusammenarbeiten im Zentrum. Ausgangspunkt der gemeinsamen Ausstellung der beiden Berner Kunsträume ist die Beobachtung, dass etliche ehemalige Kunststudenten der Ecole cantonale d’art du Valais nach wie vor einen engen Kontakt pflegen, sich gegenseitig unterstützen, kritisieren und weiterbringen. Gleichzeitig ist es die Lust am Zusammenarbeiten innerhalb Berns, das die Kuratorinnen der beiden Kunsträume Stadtgalerie und Grand Palais zu einer gemeinsamen Ausstellung mit zwei Standorten motiviert hat. Der Ausstellungstitel weist in spielerischer Weise auf diese Verbindungen hin, ohne die Problematik des Geschlechterverhältnisses – fünf Männer, deren Werke in der Ausstellung zu sehen sind und zwei Kuratorinnen, die das Konzept verantworten – ausblenden zu wollen.

Die Räume der Stadtgalerie werden von MARTIN JAKOB, VICENTE LESSER, VINCENT LOCATELLI und GRÉGORY SUGNAUX bespielt. Die Präsentation spielt mit dem klassischen Format der Skulpturenausstellung. Die meisten Werke entstanden vor Ort und werfen Fragen zum Raumverhältnis als Bestandteil der Wahrnehmung der Arbeiten, zur Funktion des Sockels und zur eigentlichen Plastik auf. Die vier Künstler zeichnen sich durch eine ähnliche skulpturale Formensprache aus: Diese geht von industriellen Materialien aus und experimentiert mit deren spezifischen Eigenschaften, reizt diese aus und bringt sie in ungewöhnliche Kombinationen.

Den Arbeiten von Jakob und Locatelli sind das Spiel mit dem Gleichgewicht und das Austesten der Materialstabilität gemeinsam. Beide bedienen sich dafür der Assemblage. Jakobs Materialien stammen aus der Produktion, sei es aus dem Lager der Stadtgalerie, wie beispielsweise in der Arbeit Tréteau – Néons (2016) oder aus dem Baumarkt-Sortiment. Er fügt sie zu fragilen, augenzwinkernden Gebilden zusammen, die sich jeglicher Anwendung entziehen und die Assoziationen offen lassen. Während wir darin Objekte wie Tischbock, Neonröhren, Gummizug oder wie in Rayon: Fließt & Fertig (2016) den Sack mit Bodenausgleichmasse benennen können, sind Locatellis Bauteile verfremdet. Er arbeitete vor Ort und schuf aus Restmaterial architektonische Module ohne Funktion. Die verschiedenen Elemente der Installation Symbioses (2016) sind trotz ihrer robusten Materialien ein Balanceakt. Dünne Betonplatten verlieren in der Vertikale beinahe ihre Stabilität, geben dafür aber ihre Rückseite mit dem Abdruck des Verschalungsmaterials aus Wellkarton preis. Der Produktionsprozess wird sichtbar, so auch wenn der Künstler den Beton absichtlich aus der Form laufen lässt.

Anders als bei Locatelli entstehen die Betonformen bei Sugnaux, der mit chemischen Reaktionen experimentiert, durch Zufälle in der Fabrikation. Der Künstler konnte die Entstehung der Form in UltraPanorama Sampling (2015/16) nur bedingt kontrollieren: Er goss an verschiedenen Stellen Aceton in Styroporblöcke. Die Flüssigkeit frass sich Gänge durch das Innere der Blöcke, die er anschliessend mit sehr flüssigem Beton ausgoss und brannte. Die fünf Betonskulpturen sind in ihrer Form organisch – sie erinnern an geologische Formationen und Ablagerungen – und scheinen im Boden weiterzuwachsen. Durch ihre Anordnung auf der Aluplatte entsteht eine in sich abgeschlossene fiktive Topographie. Die Textur der Betonoberfläche zur glatten reflektierenden Platte steht ebenso in Kontrast wie die geometrischen und organischen Formen der Skulpturenelemente.

Sugnaux’ Arbeit gibt die Bewegung der Besuchenden im Raum ebenso vor wie Coin Coin (2016) von Lesser. Man muss die Sockel umrunden, ihnen ausweichen oder wie bei Lesser sie gar betreten. Der Sockel ist gleichzeitig ausser Funktion und elementarer Bestandteil der Skulptur. Die Frage nach der klassischen Aufteilung vom Sockel als Präsentationspodest und der Figur als Hauptattraktion löst sich auf. Obwohl Coin Coin von den Räumlichkeiten der Stadtgalerie ausgeht und sich in ihre Ecken drängt – Lesser hat die PVC-Platten entlang architektonischer Details geschnitten und zusammen ergeben sie den Grundriss der drei Räume – scheinen die Ensembles futuristisch und aus dem Zusammenhang gelöst. Die aus PVC geformten Teile erinnern in ihrer Anordnung an Carrosserie-Reste einer Kollision.

GRAND PALAIS

Fassadenmodell, Schaukasten und Freiluftkino
Potentielle Normaliensammlung – eine Festarchitektur aus der Serie Gebilde von hoher Zwecklosigkeit

RETO MÜLLERS Skulpturen wirken als Fassade vor der vom Künstler vorgeschlagenen Kabinettausstellung im Innenraum des Grand Palais. Das denkmalgeschützte Stationsgebäude der Bern-Worb-Bahn am Helvetiaplatz wird – als integraler Teil der Installation – zum Schaukasten auf die Werke von Richard Corre, Walter Maria Förderer, Bernhard Luginbühl und Werner Schwarz. Dabei weist das Fassadenmodell hin auf die Dissonanz zwischen zukunftsgerichtetem gestalterischen Ausdruck einer Zeit, bei gleichzeitiger Bedrohung eines Kulturdenkmals. Das Idyll des autonomen Werkes scheint gefährdet. Reto Müller verweist mit seiner Installation auf die Themen Wandel und Verdrängung – der damit einhergehenden Vergänglichkeit – und dem Prozess der Erneuerung. Er zieht Verbindungen zwischen der örtlichen Situation am Helvetiaplatz und ihren Architekturen, der Hülle und dem Innen des alten Stationsgebäudes sowie den ausgestellten Werken, die zugleich auch als Erbe, Nachlass und Quellen gelesen werden können. Die Arbeiten von Corre, Förderer, Luginbühl und Schwarz lassen sich in diesem Kontext als Stellvertreter verstehen, deren Arbeiten sich thematisch einbetten lassen:

Walter Maria Förderer (1928–2006) war Bildhauer und Architekt, für ihn war Architektur Skulptur. Er lehnte Stilzitate ab und fühlte sich keinem Funktionalismus verpflichtet: «Eigentlich habe ich von Bau zu Bau mehr verwirklicht, was ich mir als ein Gebilde von hoher Zwecklosigkeit erträumt habe.» Der französische Plastiker und Maler, Richard Corre (*1962), schnitzt Figuren aus den Holzbeinen originaler Le Corbusier-Stühlen aus den 1930er-Jahren, die in den 1990er-Jahren aus Platzgründen entsorgt wurden. Der Kurzfilm «Ritsche-Ratsche» des Eisenplastikers Bernhard Luginbühl (1929–2011) kämpft gegen das Verschwinden alter Häuser und den Wandel, dem architektonische Strukturen unterworfen sind. Dem Künstler Werner Schwarz (1918–1994) diente eine kleine, einfache Holzbude in Schliern bei Köniz als Atelier. Sie behauptet sich noch heute als kleine Insel gegen die strukturellen und architektonischen Veränderungen, die während Schlierns Wandel vom Dorf zur Agglomeration entstanden.

Über seine Arbeit schreibt Reto Müller: «In letzter Zeit wurden für meine eigenen Arbeiten die klassischen Beispiele einer Fest- und Triumpharchitektur immer wichtiger. Feste sind Gesamtkunstwerke. Festarchitekturen lese ich als bewusste Behauptung des Idealen im Realen. Als Träger dieser utopischen Ideen sind sie Versuchsfelder der Architekten und Künstler, in dem sie ihrem Inszenierungsanspruch freien Ausdruck geben können vor der geforderten Manifestation von Macht. Dies ist ein Feld im dem sich die Grenzen von Architektur und Kunst zu einer neuen Sprache verbindet.»

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Eine Kooperation zwischen der Stadtgalerie und dem Grand Palais.

Die Ausstellung ist kuratiert von Ba Berger (Stadtgalerie) und Juliane Wolski (Grand Palais).

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