Auch dieses Jahr schliesst das Ausstellungsprogramm mit der Cantonale Berne Jura. Die von bernischen und jurassischen Kunstinstitutionen gemeinsam organisierte Weihnachtsausstellung steht im Zeichen der interkantonalen Zusammenarbeit. Verteilt auf die verschiedenen Kunstorte präsentiert die Ausstellung dem Publikum auch in ihrem siebten Jahr eine Vielfalt zeitgenössischer Kunstproduktion aus den Regionen und fördert den Austausch unter den Kunstszenen. In der Stadtgalerie ist die Cantonale Berne Jura erneut thematisch kuratiert. Unter dem Titel Echo versammelt die Ausstellung Werke, in denen thematische oder materielle Korrelationen einen Widerhall erzeugen, der sich erweitert, erneuert und vervielfacht. Vom Sampling, über das Zitat, von der Adaption bis zur Imitation machen die künstlerischen Positionen Referenzen auf die Kunstgeschichte und die Alltagskultur. Einige der Bezüge funktionieren dabei selbstreferentiell, während andere in die Welt hinausweisen.
LUCIE KUNZ (*1990 in Biel, lebt und arbeitet in Biel) Arbeit Blueback besteht aus einem in den Raum gehängten Plakat, das auf den ersten Blick aus zwei Rückseiten zu bestehen scheint. Mit der gescannten Rückseite des Affichenpapiers bedruckte die Künstlerin dessen Vorderseite. Durch die vorgenommene Imitation und Verdoppelung löst sich die Bedeutung von Vorder- und Rückseite auf und der Moment des Verdeckens wird zum Bild.
SELINA REBERS (*1985 in Bern, lebt und arbeitet in Bern) Arbeit vermessen besteht aus einer Animation von 36 Einzelbildern. In der Abbildung einer Kreiswinkelmesser-Schablone wurden deren grafischen Elemente digital nachgezeichnet. In der Aneinanderreihung der Bilder bewegt sich eine kleine zentrale Kreisfigur, in Anlehnung an den Sonnenverlauf, leicht elliptisch und in gleichmässigem Tempo um das Kreiszentrum – die Grundlinie wird zum Horizont.
MOHÉNA KÜHNIS (*1984 in Morgins, lebt und arbeitet in Bern) Serie Dispositions 1 à 5 besteht aus Siebdrucken, in denen sich die Künstlerin mit Momenten des Arbeitsprozesses auseinandersetzt. In den Bild-Text-Korrelationen untersucht sie, mittels grafischer Anordnung der Elemente, die Bedeutung von Wort und Objekt. Die Künstlerin reflektiert verschiedene Gesten der Skulptur und der Installation, thematisiert gleichzeitig aber auch die Schwierigkeit, die eine Positionierung in einem räumlichen aber auch inhaltlichen Sinn mit sich ziehen kann.
KAREN AMANDA MOSERS (*1988 in Thun, lebt und arbeitet in Antwerpen und Bern) Arbeit Edition 1/1 – 4/1 untersucht die Wechselwirkung zwischen Vervielfältigung und Wert und macht diese sichtbar. Die Arbeit manifestiert sich als umgekehrte Edition. Sie besteht aus vier Fotogrammen, welche mit unterschiedlich grossen Passepartouts gerahmt sind. Diese Ausschnitte zeigen jeweils prozentual so viel von der Fotografie, wie ihre Edition zulässt – 1/1 zeigt das ganze Bild, 2/1 das halbe Bild uns so fort. Diese Systematik fortsetzend, sind auch die Fotogramme durch Belichtungszeiten entstanden, die den jeweiligen Prozenten entsprechen.
Die zwei dicht nebeneinandergehängten schwarz-weiss Fotografien Wetterstrasse, Herdecke von LUKAS HOFFMANN (*1981 in Zug, lebt und arbeitet in Berlin) zeigen den Fuss eines bewachsenen Hügels und eine darunter verlaufende Strasse. Die beiden Bilder wirken fast wie eine Verdoppelung des Sujets, sind jedoch zwei sich erweiternde Teile, die der Darstellung etwas Monumentales, fast Sakrales verleihen.
HANNES ZULAUFS (*1992 in Muri, lebt und arbeitet in Wohlen) Table Top Edition 1 setzt sich aus einem barock anmutenden Tisch und kleinen Figuren zusammen, die sich in einer malerischen Landschaft befinden. Die darin platzierten Formen erinnern an Zeichen, denen die Figuren isoliert gegenüberstehen. Der Künstler bezieht sich mit der Arbeit auf sein Langzeitprojekt das Weltornament, einen Text, den er als ein zur Spitze getriebenes und ins Groteske kippendes Spiel mit Utopien der Kunst bezeichnet. Mit Table Top Edition 1 zitiert er seinen Text und lässt ihn als als eine Art Merchandise-Artikel in Erscheinung treten.
Die Objekte in NINO BAUMGARTNERS (*1979 geboren in Jegenstorf, lebt in Bern und arbeitet in Worblaufen) Arbeit Total Ultimate besteht aus verschiedenen Werkzeugen wie Speer oder Pfeil, die sich aus heutiger Sicht im Bereich von Abenteuer und Outdoor-Aktivitäten verorten. Die Waffen und Werkzeuge, die als essenzielle Elemente zum Überleben in der Wildnis betrachtet werden können, transformiert der Künstler durch das Integrieren von technologischen Materialien in ambivalente Objekte, deren Sinn und Zweck in Frage gestellt zu sein scheinen.
Die Arbeit Pissoir von PETER CLEMENS BRAND (*1972 in Libingen, lebt und arbeitet in Bern) besteht aus einer Serie von Zeichnungen. Das an Marcel Duchamp erinnernde Motiv des Pissoirs wird in Brands Zeichnungen von einer Leichtigkeit erfasst: Die Pissoirs erinnern an Portraits, scheinen eine Persönlichkeit zu haben, die durch die geschriebenen Fragen unterstrichen werden. An wen der Künstler die Fragen richtet, die sich zwischen alltäglichem Smalltalk und Existentialismus bewegen, bleibt offen – an sich selbst, den Betrachter, die Kunst?
NORA BRATSCHIS (*1986 in Biel, lebt und arbeitet in Bern und Biel) Maria, breit den Mantel aus besteht aus einem gerafften blauen Stoff, der als rundes Objekt auf dem Boden liegt. Die Künstlerin zitiert dabei eines der bekanntesten Marienlieder, in dem Maria ihren weiten Mantel ausbreitet und darunter Schutz für die Menschen bietet. In Bratschis Arbeit wird der Mantel vom Sinnbild in ein physisches Objekt übersetzt, das in seiner Dimension an ein Kleidungsstück erinnert.
Im Video Mir Händ En Verein von SARAH HUGENTOBLER (*1981 in Frauenfeld, lebt und arbeitet in Bern) tritt die Künstlerin als vervielfachte Figur auf, die als Gruppe das Mani Matter-Cover der Band Min King interpretiert. Während die Kamera scheinbar im Kreis an den Figuren vorbeifährt, reagieren diese aufeinander und sprechen über die Vor- und Nachteile der Zugehörigkeit in einem Verein.
DOMINIC MICHELS (*1987 in Klingnau, lebt und arbeitet in Basel) Serie Untitled Reverb besteht aus an die Wand gekleisterte Börsenartikel und einer jeweils davor platzierten Flöte. Für den Künstler sind die Flöten – die er teils gefunden und teils selbst produziert hat – «EchoRäume», in denen Bekanntes stets eine Widerholung erfährt. Als Motiv erinnern sie an die Sage des Rattenfängers von Hameln, der mit seiner Flöte erst alle Ratten gefangen hat und der, weil ihm niemand dankte, zur Strafe alle Kinder fing. Der Verlauf der Geschichte wird in Assoziation mit dem Finanzmarkt zu einer Kapitalismuskritik; die Flöten scheinen die Zeitungsartikel zurückzuspielen und zu hinterfragen.
Mit Gefühle in Zeiten des Kapitalismus skizziert IVAN MITROVIC (*1985 in Basel, lebt in Basel und arbeitet in Ostermundigen) die Gefühle unserer Zeit. Der abgebildete Tisch erinnert an einen Nachttisch, auf dem in diffusem Licht mehrere Sexspielzeuge, ein Buch, ein Tablet und eine Kreditkarte liegen. Durch die Gegenüberstellung der romantischen Elemente mit Konsumgütern malt der Künstler eine ambivalente Stimmung unserer Zeit, die sich zwischen Ideal und ernüchternder Realität bewegt.
Die Arbeit WE TAKE UP SPACE_ von ALIZÉ ROSE-MAY MONOD (*1990 in Châtel-Saint-Denis, lebt und arbeitet in Bern) ist ein Re-enactment von Carole Roussopoulos Video, das Valerie Solanas S.C.U.M. Manifesto aus den späten 1960er-Jahren interpretierte. Das räumliche und dramaturgische Setting vom historischen Film übernommen, erweitert die Künstlerin die Arbeit um neue Formen und Medien. Die Arbeit bezieht sich auf verschiedene feministische Hinterlassenschaften und befragt anhand von Bezügen und Zitaten den Begriff des Feminismus in einem politischen aber auch künstlerischen Sinn.
Die Skulptur Loop of Faith von BARBEZAT-VILLETARD (Matthieu Barbezat *1981 in Nyon; Camille Villetard *1987 in Paris, leben in Bern und arbeiten in Bern und Sierre) besteht aus 34 Neongliedern die ineinander verschränkt eine Kette bilden. Das vertikal im Raum stehende Konstrukt wirkt in seiner langen und dünnen Form einerseits fast zu sensibel für die Schwerkraft und die leichten Erschütterungen des Bodens, die durch die Bewegungen im Raum entstehen. Anderseits scheint die Wiederholung der Elemente und deren präzises Ineinandergreifen ein stabiles System zu bilden: Die Kette könnte noch unendlich länger sein – wie auch der Werktitel suggeriert.
In der Videoarbeit Anmassungen (Stimme) vollzieht LIVIO BAUMGARTNER (*1982 in Jegenstorf, lebt und arbeitet in Zürich) eine nonverbale Aufführung seiner Stimme. Teilweise wie Stimmübungen klingend, teilweise Operngesang imitierend, bewegt sich der Auftritt zwischen Diletantismus und Ambition, zwischen Inbrunst und Humor.