Menü
Bildansicht Textansicht
Waisenhausplatz 30
3011 Bern
+41 31 321 76 47
stadtgalerie@bern.ch
Mittwoch – Freitag
14 – 18 Uhr
Samstag
12 – 16 Uhr
Waisenhausplatz 30
3011 Bern
+41 31 321 76 47
stadtgalerie@bern.ch
Mittwoch – Freitag
14 – 18 Uhr
Samstag
12 – 16 Uhr
Newsletter
Facebook
Instagram

Die Anatomie der Bilder
Petra Elena Köhle, Nicolas Vermot Petit-Outhenin, Nele Stecher, Sereina Steinemann, Romy Rüegger, Katrin Ritz, Esther van der Bie
21.10.–06.11.2010

«Die Welt wird nicht gefunden, sondern erfunden»

Der Mythos der authentischen Darstellung von Wirklichkeit durch die Fotografie ist vom Paradigma der Erzeugung von Wirklichkeit mit fotografischen Mitteln abgelöst worden. Die Ausstellung Die Anatomie der Bilder geht von dieser Annahme aus und wirft einen Blick auf das Innenleben fotografischer Bilder und und auf ihre Verwendung zur Konstruktion einer ästhetischen, sozialen oder politischen Realität. Anhand von Sammlungen, Bildarchiven und «Found Footage» erproben Künstlerinnen und Künstler Strategien der De- und Rekonstruktion, um den Blick aufs Bild neu zu lenken, Bildkonventionen kritisch zu hinterfragen und ihre inneren Strukturen, ihre «Anatomie» offenzulegen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Sprache – als Mittel des Beschreibens, des Lesbar-Machens und der Deutung des Sichtbaren. Gleichzeitig bietet die Fotografie selbst spielerische Möglichkeiten der Inszenierung, des Stagings und der Manipulation von Wirklichkeit – vom Stillleben über die Konstruktion der eigenen Biografie bis hin zur Neuschreibung der Geschichte.

PETRA ELENA KÖHLE und NICOLAS VERMOT PETIT-OUTHENIN’s anspielungsreiche Installation Führerauftrag bezieht sich auf das von Hitler persönlich angeordnete Vorhaben, deutsches Kulturgut angesichts der drohenden Zerstörung mit fotografischen Mitteln «festzuhalten». Zwei diesem Kontext entnommene Archivbilder zeigen je einen flüchtigen Moment dieses Unternehmens mitsamt den Fotografen am Werk – zwei seltene Blicke hinter die Kulissen des dokumentarischen Apparates wider die Zerstörung des Krieges. Diese Bilder werden von Köhle/Vermot in einer abstrahierten, zwischen Gerüst und Bühne changierenden Installation rekonstruiert. Die einzelnen Bestandteile dieser Installation verweisen nicht nur in vielfältiger Weise aufeinander, sie bedingen einander. Die Durchdeklination des Motivs des Gerüsts, die konzeptionelle Sprache der Inszenierung und deren heterogene Bestandteile thematisieren die Konstruiertheit der Geschichte, erinnern aber auch an das labile Gleichgewicht zwischen der Zerstörung, dem Vergessen, dem Bewahren, dem Erinnern und der Utopie eines Wiederauflebens des Gewesenen.

Petra Elena Köhle (1977) und Nicolas Vermot Petit-Outhenin (1977) haben an der Zürcher Hochschule der Künste Fotografie und Bildende Kunst studiert. Sie leben und arbeiten in Zürich.

In den Serien Folklore und Sitten und Bräuche verwendet NELE STECHER verschiedenen Quellen entnommenes und teils historisches Bildmaterial, um es zu begrifflichen Gegenüberstellungen anzuordnen. Die Arbeit wirft zentrale Fragestellungen zum Verhältnis zwischen Bild und Text auf: Wie stark ist die Rezeption von Bildern zwangsläufig an sprachliche Kategorien geknüpft? Werden Fotografien, entgegen dem oft an sie gestellten Anspruch einer authentischen Darstellung von Wirklichkeit, tatsächlich erst durch ihre Beschreibung durch Sprache «lesbar» gemacht? Im Kontext dieser Fragen ist die Arbeit von Nele Stecher ein subtiles, oft auch sehr humorvolles Spiel mit den Möglichkeiten der Zuschreibung und Deutung von Bildern. Unterstützt vom «wissenschaftlichen» Gestus des Archivierens und des Vergleichens werden Bilder wie auch Begriffe dekonstruiert, indem die Bilder und ihre inneren Strukturen im Kontext fiktionaler Zusammenhänge neu lesbar und sichtbar gemacht werden. Parallel zeigt Nele Stecher einzelne Auszüge aus der Serie Family Stories, in der sie sich mit den Bildkonventionen des Erinnerns auseinandersetzt und diese sorgfältig reinszeniert – wobei sich die familiär verteilten Rollenverhältnisse zwischen Vater und Mutter, Eltern und Kind in irritierender Art und Weise verschieben.

Nele Stecher (1970) hat an der Zürcher Hochschule der Künste Fotografie studiert. Sie gewann 2010 den Eidgenössischen Kunstpreis. Sie lebt und arbeitet in Basel.

SEREINA STEINEMANN zeigt eine eigens für die Ausstellung produzierte Arbeit, die das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit einer alten, der Künstlerin vererbten Postkartensammlung ist und in Form von vier Künstlerbüchern sowie als Wandinstallation gezeigt wird. Die eigentlichen Postkartenmotive sind in der Arbeit komplett abwesend – sie wurden ersetzt durch die jeweils auf den Rückseiten der Postkarten aufgedruckten Bildbeschreibungen, die gerade durch das Fehlen der Bilder und durch ihre Zuordnung in fiktional-banale Kategorien wie «See und Berge», «weit weg», «interessant» oder «auch schön» eine neue, eigene und oft humorvolle Bildhaftigkeit gewinnen. Die beinah beliebige Ersetzbarkeit der einzelnen Bildmotive und die vermeintlich stetige Wiederholung der immer gleichen Bildkonventionen wird unerwartet kontrastiert durch die äusserst spezifischen, detailreichen Beschreibungen. Die Arbeit verrät somit nicht nur etwas über verbreitete Vorstellungen des Schönen, Interessanten und Geschmackvollen in einem der bekanntesten und verbreitetsten Bildtypen überhaupt, sondern gewinnt durch den Fokus auf die Bildhaftigkeit der beschreibenden Texte auch eine literarische Qualität.

Sereina Steinemann (1984) hat an der Hochschule der Künste Bern Freie Kunst studiert und absolviert zur Zeit ein Zweitstudium in Geschichte der Fotografie an der Universität Zürich. Sie lebt und arbeitet in Bern.

In der Fotoserie Wälder und Verwandtes von ESTHER VAN DER BIE wird eine Bildwirklichkeit mit technischen Mitteln konstruiert und inszeniert. Einer Theaterbühne ähnlich komponiert van der Bie vielschichtige fotografische Tableaus mit Naturmotiven, die trotz ihrer peniblen Mise-en-Scène keinen Hehl aus ihrem konstruierten Innenleben machen. Sie erzählen damit die Geschichten ihrer eigenen Entstehung. Abdeckplanen, Halterungen, Klebestreifen, Netze, Schläuche und sonstige Hilfsmaterialien dienen in diesen Arbeiten nicht nur als Hilfsmittel, sondern als gleichwertige Elemente der Bildgestaltung. Den liebevoll-präzisen Arrangements stehen reale Naturaufnahmen der Serie Nur Natur gegenüber, in denen Natur seltsam künstlich wirkt: Mit geschultem Blick und einem Auge für Details geht Esther van der Bie auf die Suche nach Orten und räumlichen Situationen, die ohne zusätzliches Arrangieren von Bildelementen Studiocharakter aufweisen. Mit gezielt eingesetzten fotografischen Mitteln, Präzision und Geduld betreibt sie so die Umkehrung ihrer Arbeit Wälder und Verwandtes und unterwirft die Natur einer Ästhetik der Künstlichkeit.

Esther van der Bie (1962) ist Fotografin, Künstlerin und Dozentin für Fotografie an der Berner Hochschule der Künste.

ROMY RÜEGGER und KATRIN RITZ zeigen die Lecture Performance No Sad Songs for Me.

weiterlesenweniger anzeigen