Als Auftakt ihres Ausstellungsprogramms hat Ba Berger für den Herbst 2015 drei Ausstellungen geplant, die das regionale Schaffen in einen internationalen Austausch stellen. Sie hat dafür die Kunstschaffenden Annaïk Lou Pitteloud, Michael Günzburger und Eva-Fiore Kovacovsky eingeladen, die eng mit der Berner Kunstszene verbunden sind, jedoch nicht mehr in der Hauptstadt leben. Die drei haben ihrerseits Künstlerinnen und Künstler aus Bern und ihren jetzigen Lebensmittelpunkten für ihre Ausstellungen ausgewählt. Das Ausstellungskonzept soll sichtbar machen, dass Studienaufenthalte im Ausland und damit der Aufbau eines Netzwerkes und bleibenden Freundschaften die künstlerische Produktion massgeblich prägen.
Für die zweite Ausstellung der Serie hat der seit 1999 in Zürich wohnhafte Günzburger Künstlerinnen und Künstler zusammengebracht, die er schon lange gemeinsam in einer Ausstellung präsentiert sehen wollte. Nichts Neues versammelt scheinbar einfache Gesten, auf die eine originäre Perspektive fällt. Günzburger sieht die Gemeinsamkeit der ausgestellten Werken in der spezifischen Sichtweise auf altbekannte Thematiken der Kunstproduktion: «Auf Landschaft blicken, sie durchschreiten, darin leben oder ihre Stoffe als Material verwenden ist an sich nichts Neues. Hier jedoch: Der Blick aus Höhlen auf Waben, gerade durchschritten, wo Menschen und Tiere posieren, die sich, aus anderen redend, staubig abbilden. Die Arbeiten sind in enger materieller oder inhaltlicher Verbindung zu sehen, welche die Unterschiede trotz und durch die Nähe schärft.»
Die Leuchtkästen PASCAL HÄUSERMANNS zeigen Videostills aus seinem Film Ascending and Descending in São Paulo (2015). Die Szenen sind ausgewählt nach der Chronologie des Films, gemeinsam ist ihnen die Zentralsymmetrie. Es ist das dritte Filmprojekt des Künstlers, in dem er eine fremde Stadt zu Fuss nach bestimmten Wegprinzipien erkundet. In São Paulo bestimmten spezifische Orte den Weg des Künstlers, während in Paris und Tiflis sein Stadtspaziergang einer formalen Ordnung unterlag. Häusermann durchschreitet verschiedene urbane Stadträume wie die Metro, Einkaufszentren oder die von modernistischer Architektur geprägte Avenida Paulista. Damit entwickelt er ein Gespür für die Komplexität und Geschichte dieser modernen Metropole und zeichnet sein eigenes Stadtporträt. An São Paulo interessierte den Künstler, wie der öffentliche Raum und die Stadtplanung zu Gunsten von Profitdenken vernachlässigt werden. Das öffentliche Leben wird von der Strasse weg ins Innere von Komplexen verdrängt: Die Metro und Shoppingmalls dienen als Ausweichorte. Das Filmen in der Öffentlichkeit hat für Häusermann einen fast schon performativen Charakter. Der Künstler exponiert sich und muss mit den Reaktionen des zufälligen Publikums sowie deren der Ordnungshüter umgehen. Als Erweiterung des Filmprojekts transformiert Häusermann die Stadtrundgänge in skulpturalen Arbeiten, sei es, indem er die Filme in Installationen integriert oder wie in dieser Ausstellung Videostills in massiven Aluminium-Leuchtkästen zeigt.
La mala mimesi (2012 – 2015) von PASCAL SCHWAIGHOFER besteht aus einer Reihe von in Rollgestellen hängenden Wabenrahmen. Die Waben wurden mit Zement ausgegossen und als dieser trocken war, entfernte der Künstler Teile der Wachsschicht. Daraus sind hexagonale Muster entstanden. Schwaighofer geht in dieser Arbeit von der Metapher des Bienenstocks aus – der Bezeichnung eines gemeinsamen Interessens von Denkern und Politikern an der Imkerei als Quelle utopischer Ideen des 19. und 20. Jahrhunderts. Es ist sein Versuch, die Metapher nachzuvollziehen, welche Fragen zur Domestizierung, zur Produktion und zu einer möglichen Anwendung adressiert.
Die Installation von ANDREAS ZÜST erinnert an ein fotografisches Tagebuch. Die Bilder entstanden zwischen 1973 und 1983 und dokumentieren das Leben des Künstlers. Für ihre Arbeit am neu erschienenen Buch Menschen Tiere Abenteuer sichtete Mara Züst, die Tochter des Künstlers, über 1000 Negative im Andreas Züst-Archiv in der Nationalbibliothek. Daraus wählte sie 350 Bilder für die Publikation aus. Diese Auswahl brach sie für eine Ausstellungspräsentation weiter auf 79 Bilder runter. Andreas Züst selber hatte die Fotos nur in Büchern veröffentlicht, geordnet nach Themen wie Menschen oder Himmel. Es ist eine subjektive Auswahl Mara Züsts, die dem Werk ihres Vaters eine weitere Autorschaft verleiht. Die Bilderserie erzählt vom Alltag eines Bohémiens: Reisen, Bars, Menschen. Gleichzeitig sind sie ein Zeitdokument, das die verschiedenen Orte, Szenen und Subkulturen festhält. Sie ermöglichen eine Übersicht über verschiedene Interessen des Künstlers und geben einen Einblick in seine Biografie.
VERONIKA SPIERENBURG besuchte während eines Aufenthalts in Georgien verschiedene der berühmten Mönchshöhlen: Seit dem 6. Jahrhundert hatten Mönche komplexe Klosteranlagen in den Sandstein gebaut und sich Rückzugsorte für ein asketisches Leben und die Meditation geschaffen. Diese Eremitenbehausungen verzierten sie mit Wandmalereien. Die Videoarbeit Aus-Höhlen (2014) von Spierenburg setzt bei den Höhlenöffnungen an. Diese markieren gleichzeitig den Eingang zum Innenraum und dienen als Lichtquelle und Fenster in die äussere Umgebung. Die Kamera nimmt die Perspektive des meditierenden Mönchs ein: Er schaut aus der gestalteten Architektur in die weite, natürliche Landschaft. Sein Blick wird vom Stein begrenzt und gerahmt. Es ist ein Spiel von Innen und Aussen, Nah und Fern, Licht und Schatten.
ROBERT STEINBERGER hat für die Entwicklung seiner Performance in der Stadtgalerie zum Thema Trauer recherchiert. Speziell interessierte er sich dafür, wie Menschen reagieren, wenn ihre Partner sterben. Ausgehend von seiner eigenen Sehnsucht und Suche, überhaupt so einen Menschen zu finden, um den er allenfalls mal trauern müsste, hat der Künstler die Performance There’s someone missing entwickelt. Zu bestimmten Zeiten sitzt er an seinem Arbeitsplatz und stickt die Frage „Where are you?“ in einen feinen Stoff. Um die Wörter zu schreiben, benützt er eine Perlen-Sticktechnik aus der Haute Couture, das sogenannte „Tambour Beading“. Das Sticken unterbricht der Künstler mit Blicken ins Publikum und seiner Stimme, die Töne formt. Unter den Zuschauern könnte sich dieses ersehnte Gegenüber befinden. Die nicht abgeschlossene Performance verdeutlicht das Potential des Scheiterns und das Andauern dieser Suche.
Die Performance Dreck entstand diesen Sommer für das Festival Dreck – ein Apparat in Berlin. Dabei ging es um Dreck als physisches und geistiges Material. MICHAEL GÜNZBURGER interessierte sich schon länger für Druck- und Zeichenprozesse auf Bühnen und arbeitete in Berlin erstmals mit der Performancekünstlerin SIMONE AUGHTERLONY zusammen. Sie wiederum interessiert sich für das Berühren als Verfahren, um eine Spur zu hinterlassen. Günzburger und Aughterlony arbeiten mit Materialien wie Wollfett, Mineralerde, Blut oder Asche. Sie begibt sich in Posen auf der hochglänzenden Bühne. Wie ist das eigene Körperbewusstsein im Moment des Abdruckes? Wie verhält sich die menschliche Oberfläche dabei? Die Darstellung von Haut und Haaren sind klassische Themen der Malerei und das Körperabdrucken sowie die verwendeten Materialien schaffen ebenso Bezüge zu Höhlenmalereien wie zur Künstlergruppe der Nouveaux Réalistes. Die Spuren der Performance bleiben in der Stadtgalerie während der Dauer der Ausstellung liegen.
Auch in ESTHER MATHIS’S Fotoserie spielen die Rückstände von Dreck eine zentrale Rolle. 2013 lebte die Künstlerin an fünf verschiedenen Orten: Mailand, Oleggio, Berlin, Winterthur und Zürich. Dort legte sie jeweils Glasplatten auf die Fensterbänke ihrer Wohnungen. Darauf lagerten sich die Luftrückstände derjenigen Luft ab, die sie während den 365 Tagen einatmete. Anschliessend belichtete sie die Glasplatten in der Dunkelkammer. Die unterschiedlichen Feinstaub-Konzentrationen zeichnen ein Porträt dieser verschiedenen Umgebungen.