GREGOR GRAF (*1976) und ALAIN JENZER (*1974) sind Teilnehmer eines Austauschprogramms zwischen der Stadt Bem und der Stadt Linz. Alain Jenzer reiste im November 2012 nach Linz und lernte dort den Künstler Gregor Graf kennen, der bereits für einen Gastaufenhalt in Bern ausgewählt worden war.
Seit Januar 2013 hält sich Gregor Graf nun in Bern auf und arbeitet hier mit Alain Jenzer im Atelier «Norbert Klassen», welches die Stadt seit Jahresbeginn mietet. Die beiden Künstler haben sich in langen Gesprächen gegenseitig inspiriert und zu für sie neuen, ungewohnten Techniken gegriffen. Sowohl bei Gregor Graf als auch bei Alain Jenzer ist Farbe in das Werk eingeflossen. Die beiden haben voneinander profitiert, sind aber eigenständig geblieben. Beide Künstler geben Einblick in ihr technisch vielfältiges Schaffen mit den Medien der Zeichnung, Malerei, Fotografie, Druckgrafik und Installation.
Gregor Graf wohnt in der Wohnung der Stadtgalerie, die sich unter dem Dach des PROGR befindet. Der Künstler interessiert sich jeweils für die unmittelbare Umgebung,die er um sich hat. Er beobachtet architektonische Details und löst sie aus dem Kontext: Dieser sensible Blick lässt ihn den 5-6 Meter hohe Blitzableiter auf dem Dach des PROGR entdecken. Es entsteht eine Holzskulptur daraus, die bereits Ausblick auf seine Faszination für Holzkonstruktionen und deren formale und inhaltliche Verwandtschaft mit Gebirgen gibt. Auch auf Bergen stehen Sender und Kreuze, die wiederum aus Metall sind. Ausser seinem Fotoapparat und dem Computer hatte der Linzer Künstler keine Materialien in seinem Gepäck. Erst seit Kurzem arbeitet Gregor Graf auch mit Farbe. Diese hat er hier in Bern ausgiebig getestet. Es sind auf spielerische Weise Aquarelle entstanden: Sie enthalten architektonische, geometrische Konstruktionen, die in landschaftlicher Umgebung stehen, mit einem klaren Hintergrund, auf dem sich die Farbe selbstständig zu machen scheint.
Im Dachstock des PROGR begegnet ihm auch der imposante Dachstuhl, den er zum Anlass nimmt, eine Serie eines fiktiven aber realistischen Kirchendachstocks anzufertigen. Dieses Modell transformiert er in fünf Schritten zu einer Berglandschaft. Die Zeichnungen sind in unterschiedlichen gebrochenen Farbtönen lasiert.In einer anderen Arbeit wird der Dachstock zerlegt, in Pressspanplatten ausgesägt und wie Puzzleteile an die Wand gelehnt.
Weitere Installationen sind in unmittelbarer Nähe der Wohnung auf dem Dachboden entstanden. Den Sand, den die Arbeiter im Dachboden benutzen, um Platten neu zu legen, hat er entlehnt und damit eine Installation erarbeitet, die erneut an einen Gebirgszug erinnert. Er hat dort herumstehende Bretter benutzt und darauf Sandberge aufgeschichtet. Auf den Fotografien erscheinen diese Haufen in künstlich inszeniertem Licht, wie auf einer Bühne.
Für Alain Jenzer ist der Prozess sehr wichtig, der sich während des Arbeitens abspielt. Er gibt sich Handlungsanweisungen, wie beispielsweise das Ausschneiden von Todesanzeigen mit dem Japanmesser. Dabei interessiert ihn der Prozess, der sich während der Arbeit vollzieht. Was der Künstler schliesslich zeigt, sind die Überreste des Arbeitsprozesses. Im Gegensatz zu den Handlungsanweisungen, die sich die Surrealisten gaben, welche das Unbewusste hervortreten lassen wollten, sind diese bei Alain Jenzer klar konzeptuell. Das Arbeiten aus dem Unbewussten wird unterbunden und der Arbeitsprozess vom Künstler als Meditation empfunden. Die Wandzeichnung zeigt einen Ausschnitt einer Wand,die sich ins Unendliche zu erstrecken scheint. Feld an Feld. Die Formate der einzelnen Felder entsprechen Todesanzeigen in Zeitungen. Die Felder sind ausgespart und die Ränder gelb eingefärbt, wodurch die «Trauerränder» eigentlich entfremdet und mit einer eher lebensbejahenden Farbe ersetzt werden. Das Werk des Künstlers kreist um die Vergänglichkeit, das Abschiednehmen, und die Lücken; seine Arbeit holt ihn immer wieder dahin zurück.
Das gleiche Motiv wie auf der Wand erscheint als Prägedruck. Dabei hat er ebenfalls die Vierecke im Format von Todesanzeigen in Linol geschnitten und diesen Druck auf das Papier gepresst. Hier entstehen nun plötzlich Felder, die Geschichten erzählen. Jedes Feld wurde in einem anderen Duktus geschnitten, die Leere, die entstanden ist durch das Ausschneiden des Linols wird durch den Abdruck wieder gefüllt.
Auch das Sammeln von Spazierstöcken führt den Künstler zurück zum Thema der Vergänglichkeit. Findet er einen in einem Brockenhaus, bedeutet dies in der Regel, dass dessen Besitzerin oder Besitzer in der Zwischenzeit nicht mehr lebt. Auf den Wanderstöcken ist als Verzierung ein immer ähnliches Edelweiss-Motiv eingebrannt, das der Künstler eingefärbt und auf Papier abgerollt hat.
Zwei kleinformatige Fotografien zeigen leere Blumenkistchen und Gummipuffer für Gehhilfen,welche von oben aufgenommen wurden. Diese Motive verweisen auf andere Werkreihen in Alain Jenzers Arbeit.