Wir fürchten das Erwachen,
das Versagen der Nacht,
die Bedeutungslosigkeit in einem Wort,
das ist wie eine zu grosse Hose für das Gefühl,
ein zu langer Ärmel,
ein leuchtendes Display
In NINA RIEBENs (*1992 in Bern, lebt und arbeitet in Bern) Arbeit treffen Gegensätze aufeinander: sachliche Fotografie auf poetische Textfragmente, monochrome Flächen auf Figuration, Licht auf Dunkelheit und Tag auf Nacht. In ihrer Einzelausstellung oder stimmt etwas nicht mit dem Gefühl schafft die Künstlerin in den Räumen der Stadtgalerie mit installativen Eingriffen erzählerische Strukturen und eröffnet ein Spiel der Differenzen. Wie der Titel vorschlägt, geht es ihr um einen ambivalenten Zustand, welcher Behauptung und Zweifel, Sinnlichkeit und Ironie vereint. Einen Zustand, den die Künstlerin selbst als «instabile Sinnlichkeit» beschreibt.
Im ersten Raum der Stadtgalerie erwartet einen die Nacht, ein hier offensichtlich künstlicher Zustand. In den von Aussen verdunkelten Scheiben spiegeln sich die Lichter des Ausstellungsraumes. Dieses Moment wiederholt sich auf dem Glas des gerahmten Bildes Catcher (waiting for meaning) (2018). Riebens Arbeiten spielen mit der Künstlichkeit des white cubes, des Ortes, an dem Kunst präsentiert wird. Ein Loch in der Fensterscheibe scheint für einen Augenblick diesen Illusionsraum zu durchbrechen, nur um gleich darauf als Teil der Arbeit Intro (2019) in eine räumliche Erzählung eingebunden zu werden.
Licht und Dunkelheit sind auch die Voraussetzungen für das Entstehen von Fotografie, ein wiederkehrendes Medium in der Arbeit Riebens. Ihre Bilder bekräftigen dies mit beinahe physischem Nachdruck. Im raumfüllenden Bild Sehnsucht im Bereich des Möglichen (2019) flackert ein brennendes Streichholz in monochromer Dunkelheit auf. Als meist selbstleuchtende Objekte, beanspruchen die isolierten Dinge in Riebens Bildern eine fotografische Präsenz: Sie scheinen eine ins Bild gebannte Spur von etwas zu sein, das einmal ausserhalb des Bildraumes existiert hat, wenn auch nur flüchtig. Der wiederkehrende, schwarze Grund ihrer Bilder erschüttert aber auch diese fotografische Gewissheit, denn er entspringt meist dem digitalen Arbeitsraum. Dem Schwarz ihrer Bilder fehlt es an Tiefe, es ist das kontextlose Schwarz des Bildbearbeitungsprogramms. Riebens Fotografien, aber auch ihre installativen Arbeiten thematisieren immer wieder die dort vorhandene Leere:
yes,
but how to react to voids
that can‘t be read
as poetry
Im hintersten Raum der Stadtgalerie steht dieses Fragment eines Dialoges auf einem Buchumschlag geschrieben. Der Satz bildet eine Fussnote zur gesamten Ausstellung und offeriert eine Art negative Poetologie ihrer Arbeit. Mit subtilem Humor werden Leerstellen generiert, aufgeladen und gleichzeitig erschüttert und hinterfragt. Ihre Arbeiten balancieren so zwischen betonter Schwere, Ironie und Leichtigkeit.