IVAN MITROVIC (*1985 in Basel, lebt und arbeitet in Bern) geht für das Konzept seiner Einzelausstellung Reich von Symbolen und damit verbundenen Machtstrukturen aus. Er fragt nach Gemeinsamkeiten und Austauschbarkeit sowie möglichen Lesarten. Dabei schafft er Neuverortungen und Alltagsbezüge, die in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft verankert sind. Stets befinden sich das Publikum und die gezeigten Werke in einem Dazwischen, das zwischen Begrifflichkeiten changiert und dessen Status sowohl als auch sein kann. Dies spiegelt sich auch in der Mehrdeutigkeit des Ausstellungstitels wider.
Als eine Art Triptychon werden die drei Räume der Stadtgalerie mit drei Narrativen bespielt und stellen eine Dreifaltigkeit an von Menschen erschaffenen Machtstrukturen dar. Herrschaftssystemen ist die Suche nach einer neuen Gesellschaftsordnung sowie das Verlangen nach der Schaffung eines neuen Menschen eingeschrieben, wobei sie den Anspruch auf ein Heilsversprechen haben und vom Glauben daran getrieben sind. Das Individuum unterliegt dabei einem Optimierungszwang.
Im ersten Raum erwarten uns die zwei in kyrillischer Schrift gehaltenen Fresken „Smrt fašizmu, sloboda narodu“. Sie tragen die Grussformeln antifaschistischer jugoslawischer Partisanen: «Tod dem Faschismus, Freiheit dem Volk.» Der Blick zurück in eine sozialistische Vergangenheit wird durch aktuelle politische Realitäten geschärft. Die Worte sind im Raum abgestellt – als Fragmente einer Gesellschaftsordnung, die im Laufe der Zeit zur Dystopie wurde.
Im zweiten Raum wendet Mitrovic traditionelle Themen der Malerei auf eine Serie abstrakter Bilder an. Durch die Wiederholung der Geste fragt er mit der Werkserie Shopping Bag I-XII nach den Rollen von Individuum und Masse. Die an die Nüchternheit von Luxusmarken erinnernden Taschen sind gleichzeitig Träger von und Behälter für Ideologien. Sie dienen aber auch als Statussymbol im heutigen Konsumwahn. Die Kordeln der übergrossen Taschen scheinen uns wahnhaft anzugrinsen und uns zu versichern, dass Konsum glücklich macht. Im letzten Raum steht die von Wilhelm Reich (1897–1957) begründeten Orgontheorie im Zentrum. Reich war Schüler von Sigmund Freund. In seinen späteren Studien machte er eine biologisch-kosmische Energie aus, die er Orgon nannte und welche laut ihm durch eine gesunde Libido gesteuert wird. Er entwickelte Therapieformen und Apparaturen, um diese universelle Energie zu akkumulieren. Nach Reichs Bausätzen hat Mitrovic mehrere Maschinen nachgebaut.
Als eine Art Metatext dient der Beitrag von Tine Melzer (*1978 in Nürnberg, lebt in Zürich und arbeitet in Zürich und Bern). Aus Gesprächen mit Mitrovic und Zeichnungen von Reich hat sie Verbindungen von Text und Bild geschaffen, die gegenüber der Flut an Symbolen und Theorien danach fragen, was das Konstrukt eigentlich vom Individuum will.