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Rejouer/Déjouer le Folklore: Suisse – Québec
BGL, Olaf Breuning, Nathalie Bujold, Cooke-Sasseville, Marianne Engel, Jérémie Gindre, Maude Léonard-Contant, Pique-Nique, Vanessa Püntener, Chantal Romani, Zipertatou, Renatus Zürcher
25.10.–24.11.2012

Die Ausstellung Rejouer/déjouer le folklore: Suisse-Quebec wurde von den Kuratorinnen Ariane De Blois aus Québec und Stéphanie Bohi, die aus der Schweiz stammt, konzipiert. Sie versammelt ein gutes Dutzend Werke von kanadischen und Schweizer Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit dem Thema der Folklore auseinandersetzen.

Dieses erweist sich als fruchtbarer Ausgangspunkt für die in einem Dialog stehenden Werke der Ausstellung, die aus unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen entstanden sind. In der globalisierten Gesellschaft, wo die neo-liberale Ökonomie mehr und mehr die lokalen Eigenheiten nivelliert, bietet die Folklore Gelegenheit, über Identität und Kultur nachzudenken.

Auch die Kunstwelt untersteht der Logik der Globalisierung, sei es der Kunstmarkt, die Institutionen oder die grossen Biennalen. Entsprechend prägt dieser Mechanismus auch das gegenwärtige Kunstschaffen, sei es dass es sich einer universellen Kunstsprache anpasst oder sich im Gegenteil auf die blosse folkloristische Dimension reduziert. Eine Strategie, die sich nicht zuletzt nicht-westliche Künstlerinnen und Künstler zu eigen machen (und an die Fetischisierung der Primitiven Kunst durch die moder-nen Künstler erinnert). Die Beziehung zwischen der Kunst und der Folklore ist so komplex, dass ein heftiges negatives Vorurteil der Kunst gegenüber der Folkore besteht.

Die Folklore, die mit einem ländlichen vorindustriellen Zeit-raum in Verbindung gebracht wird, ärgert, stört, missfällt und ist der «reinen» Kunst ein Dorn im Auge. Ethymologisch kommt das Wort Folklore vom englischen folk (Volk) und lore (Wissenschaft, Wissen). Der Begriff bezieht sich allgemein auf alle Produktionen der Populärkultur (ob sie sich manifestieren oder nicht), die zur Bildung der Identität eines Volkes beitragen.

Die Künste haben traditionellerweise versucht, ihre spezifische Qualität in Opposition zu der gesamten einheimischen kunsthandwerklichen Produktion hervorzuheben. Die «echte» Kunst sieht sich als Spiegel einer gelehrten Gesellschaft, die dem Fortschritt und der Modernität huldigt, als Gegensatz zu einer archaisch vulgären Populärkultur.

Diese Dichotomie erscheint im Kontext der Gegenwartskunst noch viel interessanter, weil zahlreiche ästhetische Strategien der Postmoderne — wie Hybridisierung, Appropriation, Infiltration — mit denen der Folklore überein-stimmen.

Die Folklore bietet sich mit ihrer Heterogenität und indem sie sich jeglicher fixen Bedeutung entzieht als Spielplatz für Künstlerinnen und Künstler an. Das Ziel der Ausstellung Rejouer/déjouer le folklore: Suisse-Quebec ist es nicht, ein Erbe der patriotischen Embleme anzutreten, sondern eine Auswahl von Werken zu zeigen, die durch ihre bissige, geistreiche und zeitgenössische Natur die Besucher dazu führen, ihre eigenen kulturellen Referenzen und ihren Blick auf andere Kulturen zu hinterfragen und zu durchschauen.

So dokumeniert VANESSA PÜNTENER mit besonderer Sensibilität in ihrer Foto-Serie Alp durch eine ethnologische Annäherungsweise das Leben der letzten Nomaden der Schweiz, die im Verschwinden begriffen sind.

Die Fotografien von MARIANNE ENGEL sind geprägt von einer gewissen Nostalgie; sie referieren an das Universum der Sagen und fantastischen Erzählungen, indem sie in erster Linie Natur zeigen, die auf mysteriöse Weise animiert zu sein scheint.

Man findet einen ähnlichen Dialog zwischen Vergangenheit und Zukunft im Werk von NATHALIE BUJOLD, Idéal sport (1998), das sich als minimalistische Verzerrung (Verfälschung) der traditionellen Ausrüstung Quebecer Hockeyspieler versteht.

Die Fabrik der Tannenbäume von BGL kann als Kritik an der Konsumgesellschaft gelesen werden und der exzessiven Kommerzialisierung ihrer Rituale. Das Duo COOK-SASSEVILLE verzerrt im Werk Maintiens le droit (2012) Symbole der kanadischen Identität (berittene Polizei, Biber, Wald), die sich selbst zerstören und enthüllt damit ihre Konstruiertheit mit einem quietschenden Humor.

JÉRÉMIE GINDREe imitiert die Präsentationsart der naturhistorischen Museen (Archivierung und Authentifikation); in seinem Werk Le present lässt er den gemeinschaftlichen Akt des sich Versammelns beim Grillen von Würsten unsterblich werden.

In einer komischen, fast burlesken Inszenierung zeigt ZIPERTATOU einen Mann, der mit Dynamik eine hydroelektrische Absperrung mimt.

Zwischen Kitsch und Formalismus spielt der Vorschlag Secrets bancaires (2012) von Jason Arsenault (PIQUE-NIQUE) auf politische Weise mit dem Klischee der schweizerischen Identität.

Mit CH. (2010) erforscht CHANTAL ROMANI die Winkel der schweizerischen Psyche, indem sie eine Abfolge von Videopostkarten als Schleife zeigt. Zu sehen sind typische Alpenlandschaften und kurze Bilder über den Putzfimmel, begleitet von einer Tonspur, die den Komplex der Deutschschweizer gegenüber den Deutschen thematisiert.

Während einer Begegnung mit japanischen Touristen, welche die Jungfrau besuchen, die als typisch schweizerischer touristischer Höhepunkt gilt, entnimmt der Künstler RENATUS ZUERCHER den Kameras der Feriengäste die von ihnen zuvor aufgenommenen Bilder und überträgt diese auf seine eigene Kamera. Mit diesem Werk erforscht er die Zone der Konfrontation zweier Kulturen und die Konsumation des Pittoresken in der Zeit der Globalisierung.

Die Idee des Kreuzens und der Hybridisierung ist der Arbeit von MAUDE LÉONARD-CONTANT eigen, die auf persönliche und intime Weise diverse Referenzen kultureller Analogien zwischen der Schweiz und Quebec vermischt.

OLAF BREUNING inszeniert in seinem Video Home 1 (2004), ein Individuum, das in einem Hotelzimmer isoliert ist und das sich als Zeichen seiner Desorientierung diverse ruchlose Taten gegen zahlreiche Symbole, die der Populärkultur im Westen Eigen sind, ausmalt.

Im Video Tabarnak (2012) von Thierry Marceau (PIQUE-NIQUE), wo der Künstler in einer karikaturistischen Art den Quebecer Künstler Armand Vaillancourt nachäfft, wird die Pastiche und das referentielle Überangebot zelebriert. Mehrere Mitglieder von Pique-Nique haben beschlossen die Vernissage selber als folkloristisches Ritual zu sehen. Das Werk Chef-d’oeuvre (1812) von Guillame La Brie behandelt den Begriff Vernissage in seinem ursprünglichen Sinn, eine letzte Schicht Vernis-Lack über das Bild zu geben, bevor es eingeweiht wurde. Bestandteil des Rituals sind auch die mit Biberzähnen serigraphierten Weingläser Canadents (2012) von Marie-Hélène Plante und das Buffet carnavaleux (bleu, pe-tit bleu, blanc, rouge…) (2012) von Véronieque Lépine, die die farbigen Blitze der «ceinture fléchée» aufnehmen, einem traditionellen Gürtel der «Coureurs des bois», der ersten Pelzhändler auf dem amerikanischen Kontinent.

 

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Kuratiert von Ariane De Blois und Stéphanie Bohi

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