Als Auftakt ihres Ausstellungsprogramms hat Ba Berger drei Ausstellungen geplant, die das regionale Schaffen in einen internationalen Austausch stellen. Sie hat dafür die Kunstschaffenden Annaïk Lou Pitteloud, Michael Günzburger und Eva-Fiore Kovacovsky eingeladen, die eng mit der Berner Kunstszene verbunden sind, jedoch nicht mehr in der Hauptstadt leben. Die drei haben ihrerseits Künstlerinnen und Künstler aus Bern und ihren jetzigen Lebensmittelpunkten für ihre Ausstellungen ausgewählt. Das Ausstellungskonzept soll sichtbar machen, dass Aufenthalte anderswo und damit der Aufbau eines Netzwerkes und bleibenden Freundschaften die künstlerische Produktion massgeblich prägen.
Seit mehr als zehn Jahren abwechslungsweise in Bern, Amsterdam und Berlin lebend, pendelt EVA-FIORE KOVACOVSKY (*1980 in Bern) seit ihrer Kindheit zwischen verschiedenen Sprachen, Orten und Realitäten. Walking on the Wald Side, zu der Künstlerinnen aus drei Städten eingeladen sind, spiegelt diese Vielschichtigkeit wider. Die Ausstellung geht gemeinsamen Interessen der Freundinnen nach und spannt Verbindungen zwischen ihren künstlerischen Positionen. Die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt insbesondere zur Pflanzenwelt wird in der Ausstellung thematisiert. Immer wieder ist eine Art synthetisierte Wildnis anzutreffen, in der die Künstlerinnen Eingriffe vorgenommen haben. Gemeinsam ist ihnen auch das Ausloten und Brauchbarmachen der Grenzen des Mediums Fotografie. Zu sehen sind hier ihre Auseinandersetzungen mit visuellen und akustischen Phänomenen, die sie auf der Suche nach einer eigenen Bildsprache zu spielerischen Kreationen verarbeiten.
Aufgewachsen zwischen Bern und dem Emmental rührt Kovacovskys Interesse an der Pflanzenwelt von den Erlebnissen in ihrer Kindheit her. Die Eltern waren beide sehr naturverbunden und nahmen die Kinder oft mit in den Wald, um ihnen ihr Wissen zu vermitteln. Der Ausstellungstitel ist einem Rezept aus einem Kochbuch von Kovacovskys Vater entliehen. Karol Kovacovky begründete in den 1980er- und 1990er-Jahren die Vegiszene Berns mit. Die neuen Arbeiten Interspecies Communication (2015) der ausgebildeten Fotografin sind belichtete Kleinbildfotografien einheimischer und exotischer Pflanzen, die sie auf zu Objekten geformtes Fotopapier gelegt hat. Dadurch entstanden Verzerrungen, Doppelbelichtungen und andere Verfremdungen. Ausgangspunkt der Arbeit waren neu entdeckte Kommunikationsmethoden und Fortpflanzungsmechanismen in der Pflanzenwelt. Insbesondere faszinierte Kovacovsky die auf Kuba beheimatete tropische Schlingpflanze Marcgravia evenia, die von einer Nektar fressenden Fledermausart bestäubt wird. Um für die blinde, sich mit Ultraschall im Dschungel orientierende Fledermaus sichtbar zu werden, hat die Pflanze oberhalb des Blütenstands ein trichterförmiges Blatt, das wie ein Radar funktioniert. Dieser Trichter war die formale Inspiration für Interspecies Communication. Weiter hat Kovacovsky gesammelte Blätter in den Räumen inszeniert. Ähnlich einer Ateliersituation sind die Blätter im Arbeitsstadium des Trocknens zwischengelagert. Auf Gegenständen aus dem Arbeitsalltag der Stadtgalerie drapiert, nehmen die Blätter durch das Trocknen deren Formen an. Kovacovsky interessiert sich dafür, wie etwas Natürliches durch den menschlichen Eingriff seine Form verändert.
NATIVE INSTRUMENT besteht aus den Musikerinnen Felicity Mangan und Stine Janvin Motland (Felicity Mangan *1978 in Geelong (AU) / Stine Janvin Motland *1985 in Stavanger (NO), leben und arbeiten in Berlin, Oslo und Stavanger). Sie arbeiten mit Tonsamples aus der Natur, die sie live mit Stimme erweitern. Daraus entsteht ein rhythmisches Ökosystem aus echten und nachgeahmten Insektengeräuschen und Tierstimmen. Für die Ausstellung in der Stadtgalerie schufen sie mit Wiedergabe (2015) erstmals ein Objekt, das ihre Soundperformance überdauert. Ein Insekt wendet seinen Körper als Resonanzmembran an, um seine Ruftöne zu verstärken. Aus einfachen Materialien haben Native Instrument ein in sich geschlossenes Lautsprechersystem gebaut, das verschiedene ihrer Feldaufnahmen wiedergibt.
MARIANNE VIERØ (*1979 in Kopenhagen (DK), lebt und arbeitet in Amsterdam, Berlin und Kopenhagen) präsentiert eine Sammlung absurder Bilderrätsel. Am Boden stehen von der Künstlerin aus Holz hergestellte Pinsel, deren Griffe Beine darstellen. Weiter finden sich in der Ausstellung Werke, die in einer analogen Dunkelkammer entstanden und auf lichtempfindliches Papier projizierte Photoshop-Bilder von digitalisierten Pinselstrichen mit traditionellen Fotogramm-Techniken kombinieren. Die Pinsel in Bounce, Bend, Brush (2015) wirken als greifbares Echo der abstrahierten Silhouetten auf den Drucken. Es ist ein kontinuierliches Wechselspiel zwischen Bildebene, Objekt und Symbol. Vierø verhandelt dabei das Potential subjektiver Gesten gegenüber von stilisierten Formen.
Die Arbeiten von KATJA MATER (*1979 in Hoorn (NL), lebt und arbeitet in Amsterdam und Brüssel) gehen von den spezifischen Eigenschaften der Medien Fotografie und Film aus. Innerhalb dieser konzentriert sie sich auf Zeit, Licht, Farbe, Raum und Wahrnehmung. In der Diaprojektion The Wheels, 38 colour wheels on 80 black and white slides (2010) sind 80 von der Künstlerin produzierte Farbscheiben in schwarzweiss abgebildet. Mit den drehenden Scheiben experimentierte die Künstlerin in der vorangegangenen Arbeit The Human Colour Wheel (2009) um ein absolutes Weiss zu generieren und dieses mit Langzeitbelichtung zu fotografieren. In vielen Arbeiten spielt sie mit der Spannung, die zwischen dem kontrollierbaren fotografischen Verfahren und ihrem Eingreifen entsteht. Versuch und Irrtum sind wichtige Teile dieses Prozesses. Daraus entstehen Werke, die Hybride zwischen den Medien sind: So beispielsweise in Density Drawing (2010), die aus verschiedenen Belichtungsschichten bestehen. In verschiedenen Arbeitsstadien der Zeichnung belichtete sie dasselbe Negativ. Fotografie und Film sind zeitbasierte Medien. Mater hält mehrere Momente während dem Arbeitsprozess mit Mehrfachbelichtungen auf dem Negativ fest. Somit entstehen Parallelrealitäten, welche zwischen tatsächlicher Information und Interpretation liegen. Sie macht Momente sichtbar welche für das menschlichen Auge nicht sichtbar sind. Tiled 08 (2015) ist ein visuelles und zeitliches Puzzle. Drei Negative wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Arbeitsprozess mit demselben Motiv mehrmals belichtet. Jedes Negativ bietet dadurch eine andere Sicht auf dasselbe Motiv, zusammenmontiert zu einem Moment.
MELANIE BONAJOS (*1978 in Heerlen (NL), lebt und arbeitet in Amsterdam und New York) Night Soil: Fake Paradise (2014) ist ein dreiteiliger, experimenteller Dokumentarfilm, welcher der Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt heutzutage nachgeht. In der globalisierten, digitalisierten Welt haben viele ihre Naturverbundenheit verloren, respektive versuchen diese durch unterschiedliche Trends aktuell wiederzuerlangen. Der Film dokumentiert verschiedene alternative Lebensmodelle, die dem globalen Kapitalismus entgegenwirken. Im ersten Teil Fake Paradise wird das bewusstseinserweiternde Gebräu Ayahuasca aus verschiedenen Pflanzenextrakten der Amazonas-Region thematisiert. In allen Teilen der Welt wird dieses zur Zeit, obwohl verboten, in Ritualen als eine Art spiritueller Lifestyle konsumiert. Bonajo interessiert sich dafür, wie halluzinogene Mittel auch heute noch alternative, gemeinschaftliche Gesellschaftsentwürfe hervorbringen oder fördern könnten. Sie ist der Ansicht, dass Ayahuasca heutzutage eine ähnliche Bedeutung zukommen könnte, wie es LSD in den 1960er-Jahren hatte.