Zukunftswucher reagiert auf die Ausstellung Wasser unser im Alpinen Museum, welche die Schweiz als vermeintliches «Wasserschloss Europas» in den Fokus rückt. Beide Ausstellungen wagen anhand von Fakten und Fiktion den Blick in die Zukunft. Die Gruppenausstellung in der Stadtgalerie sucht Visionen und Utopien rund um die Themen Wasser und Zukunft in der Bildenden Kunst. Die Apokalypse ist dabei ebenso nah wie das Schlaraffenland – Zukunftsversprechen wechseln sich mit dunklen Vorahnungen ab und Prognosen über die Degeneration der Natur stehen Prozessen gegenüber, in denen das Natürliche das Konstruierte langsam überwuchert und zurückerobert.
JARED MURALT (*1982 in Bern, lebt und arbeitet in Bern) zeigt detailreiche Studien, die er für sein kommendes Comic The Fall gezeichnet hat. Zu sehen sind verschiedene Berner Standorte wie die Grosse Schanze oder die Gewerbeschule, die von der Natur zurückerobert werden. Es sind menschenleere Szenerien mit zerfallender Architektur, die von Pflanzen und Bäumen umgeben und überwachsen wird. Auch die Arbeit sogno apocalittico von LORENZO SALAFIA (*1983 in Bern, lebt und arbeitet in Worblaufen) thematisiert natürliche Prozesse: Seine skulpturale Installation, die zu Beginn an bereitgestelltes Baumaterial erinnert, wuchert und zerfällt während der Ausstellungsdauer. Durch Wärme, Feuchtigkeit und Licht beginnen die in Gips eingegossenen Bohnen zu spriessen und den Gips zu sprengen. Es entwickelt sich so eine ruinenartige Umgebung, aus der Pflanzen ranken.
Während seinen Streifzügen entlang der Aare sammelte NINO BAUMGARTNER (*1979 geboren in Jegenstorf, lebt in Bern und arbeitet in Worblaufen) auf einem Kilometer Flussabschnitt das der Natur Fremde zusammen. Aus den verschiedenfarbigen ausgewaschenen Plastikresten erstellte er Collagen, die er unter dem Titel SHTF (Shit Hits The Fan) mit Keramik-Reliefs kombiniert. Diese erinnern an Landschaften oder Inseln und weisen zwei unterschiedliche Formen auf: Die eine resultiert aus der weichen Bearbeitung mit der Hand, die andere entsteht durch die Bearbeitung mit einem Werkzeug. An der Kombination der Arbeiten interessiert Baumgartner deren Verortung und die eigentliche Gegensätzlichkeit der Materialien, die sich visuell zu verbinden beginnen. Der Ton besteht aus Sedimenten, die ein Fluss mitgeschwemmt hat und das Plastik löst sich auf und lagert sich wiederum als Mikropartikel darin ab. In der Arbeit True Story nimmt uns MAYA HOTTAREK (*1990 in Biel, lebt und arbeitet in Biel) auf eine Wanderung entlang eines Flusses mit. Auf ihrem Weg entdeckt sie, dass auf der Wasseroberfläche Kokoswasser in Tetrapacks schwimmt. Sie folgt dem Fluss um dessen Quelle zu suchen und kommentiert dabei ihre Erwartungen und Überlegungen zu diesem aussergewöhnlichen Schwemmobjekt. Die zweite Arbeit Hottareks trägt den Titel Sharing is Caring. Es ist eine Tasse aus glasierter Keramik, welche mit ihren Strohhalmen drei Personen zum Trinken einlädt. In seiner Form erinnert das Objekt an einen Mate-Becher, der ebenfalls meist in einem gemeinschaftlichen Kontext zur Verwendung kommt.
LIÊM TONGS (*1989 in Ba Ria, lebt und arbeitet in Bern) Videoinstallation entführt uns in eine traumartige Szenerie am Meer. Es ist der Versuch, sich dank einer vagen Erinnerung vor einer linearen Zeitlichkeit an einen Punkt zu flüchten, wo sich Gewesenes und Kommendes vermischt. Erinnerung und Fiktion verweben sich im Dialog in einer scheinbar vertrauten Umgebung.
ADRIANE MORAD (*1987 in Montreux, lebt und arbeitet in Bern) hat sich im Rahmen ihrer Arbeiten Announcement Board (476 Promises) und Black Flag eingehend mit dem Material Marmor auseinandergesetzt. Aus mehreren wissenschaftlichen und philosophischen Texten entnahm sie Begriffe, die mit Marmor assoziert werden und ergänzte diese mithilfe eines Computerprograms mit Synonymen und Antonymen. Die so entstandene Sammlung an Wörtern bildet die Ausgangslage für die Zukunftsversprechen, die sie in der Ausstellung an eine übergrosse Pinnwand heftet.
Von Gesundheit über Wohlstand zu seelischem Wohl wählt der Besucher, was er sich am meisten wünscht. Eingerahmt sind die Versprechen von einem Marmor-Imitat. Die auf den Kärtchen angegebenen Koordinaten liegen ausserhalb des Ausstellungsraumes. Folgt man diesen, so geht man auf eine Reise entlang der Marmorbrüche. Ob an allen Standorten eine Fahne steht, bleibt zu entdecken.
Eine Kollaboration zwischen der Stadtgalerie und dem Alpinen Museum der Schweiz