Auf dem Brunnenstock des Mittleren Neuengassbrunnen wird am Weltwassertag, am 22. März 2021 eine neue Brunnenfigur errichtet. Die letzte Brunnenfigur erhielt die Stadt Bern 1935 am Bärenplatz: Eine Plastik von Walter Linck, die einen heimkehrenden Berner Söldner mit Bärlein zeigt. Öffentliche Brunnen erschlossen im Mittelalter private Haushalte und Gewerbe mit fliessendem Wasser. Mit den Figuren erhielten die Brunnen zusehends auch eine repräsentative Funktion. Heute sind sie fester Bestandteil des UNESCO-gekürten historischen Stadtbilds und willkommenes Argument für die touristische Standortförderung. Sie sind Teil des öffentlichen Repräsentationsraums und unterliegen strikten denkmalpflegerischen Auflagen. Seit letztem Oktober arbeitet der mexikanische Künstler Isaac Contreras als Gast der städtischen Kunstkommission und der Stadtgalerie Bern im PROGR. Er hat sich intensiv mit den Brunnen Berns beschäftigt: mit ihren Materialien, ihrer Geschichte und den Prozessen, die der Bewahrung dieses historischen Erbes dienen. Der Künstler hatte die kühne Idee, nach 85 Jahren der Stadt eine neue Figur hinzuzufügen – wenn auch temporär. Damit situiert sich die Brunnenfigur Contreras‘ in einem Feld städtischer Identität und Repräsentation – ein Feld, das von Fragen materieller Konservierung geprägt ist und nur langsam auf die Veränderung der Gesellschaft reagieren kann. Die Figur mit dem Titel Ds Meitschi (Chalchiuhtlicue) (2020/2021) wurde durch den Künstler aus Ostermundiger Sandstein und in Bümpliz selbst gestochenem, gebranntem Lehm gefertigt. Sie ist der aztekischen Göttin Chalchiuhtlicue nachempfunden, die oft mit Symbolen des Wassers assoziiert wurde. Ds Meitschi (Chalchiuhtlicue) ist damit ein Mahnmal der natürlichen Ressource Wasser. Es verweist über die unmittelbare Bedeutung des Wassers für die Stadt Bern hinaus auf den globalen Umgang mit dieser lebenswichtigen Ressource und die ungleichen Auswirkungen der Privatisierung der Wasserversorgung auf Menschen und ihre Umwelt. Am 22. März 2021 thront Ds Meitschi über den Köpfen der Passant*innen in dieser Stadt aus grünem Sandstein. Ob sie länger dort stehen bleiben darf, bleibt ungewiss.