Durch den Wechsel des Mediums eine produktive Neuverortung vornehmen, oder mit Brüchen in der eigenen künstlerischen Praxis neue Möglichkeiten aufmachen: Die Ausstellung B For Music spielt mit hör- und sichtbaren Verbindungen und Trennungen in den Tätigkeiten einer Person, einer Szene oder eines Mediums. Kulturschaffende, welche vor allem in der Bildenden Kunst tätig sind, aber auch als Musikerinnen und Musiker auftreten, stellen in der Stadtgalerie aus und spielen während des BONE Performance Festivals (28.11. – 1.12.2018) in unterschiedlichen Formaten und Formationen zusammen. Dabei stellt sich die Frage, ob man KünstlerIn und MusikerIn zugleich sein kann, ob diese Rollen getrennt auftreten, oder ob es sich um unterschiedliche Ausdrucksformen ein und derselben künstlerischen Praxis handelt? Die Ausstellung versammelt Werke, welche die Kunstschaffenden frei gewählt haben, unter der Bedingung des Kurators San Keller, auf die Wände zu verzichten und andere Präsentationsformen zu finden. Die Kunstschaffenden arbeiten zu unterschiedlichen Themen in diversen Medien und haben eins gemeinsam – sie alle machen Musik.
JÉRÉMY CHEVALIER (*1983, lebt und arbeitet in Genf) geht von Alltagsobjekten aus, im Fall von Bruit du Papier von Konzertplakaten, die er zu einer monochromen Installation aus Beton verfremdet. Der Künstler interessiert sich für die Übersetzung musikalischer Codes ins Visuelle, um ihre ursprünglichen Funktionen zu hinterfragen.
ADRIANA LARA (*1978, lebt und arbeitet in Zürich) entführt mit VR-Brille die Besuchenden mittels Virtual RealityBrille in einen Parallelraum. Klänge werden sichtbar und man schwebt mitten im Frequenzspektrum. Die VR-Brille kann beim Empfang ausgeliehen werden.
Leuchtend bunt ist Melancholia, das von ERNESTYNA ORLOWSKA (*1983, lebt und arbeitet in Bern) für diese Ausstellung produzierte Paar Schuhe. Referenzen aus der Popkultur, der Mystik oder Fantasy finden in ihrem Schaffen Einzug. Indem sie Elemente aus der Bildenden Kunst mit Sound und Text ergänzt, aktiviert die Performancekünstlerin immer mehrere Bedeutungsebenen gleichzeitig.
BEAT FELLERS (*1955, lebt und arbeitet in Bern) eigens für B for Music geschaffene Arbeit Odwalla verdeutlicht, was er sowohl in der Bildenden Kunst wie auch in der Musik sucht: Bekanntes in einem neuen Kontext zu zeigen. So sind in der Bodenarbeit eindeutige konstruktivistische Regeln zu erkennen, die jedoch mit Einschnitten und Leerstellen gebrochen werden.
RUDOLF STEINER (*1964, lebt und arbeitet in Biel) ergänzt in Blue Movie #20 die Fotografie eines Fremdkörpers in einer Landschaft auf humorvolle Weise mit Sound, indem ein Staubsauger zum Klangerzeuger wird. Er schafft sich durch Musik Freiräume, die er so in seiner konzeptuellen Arbeit als Künstler nicht immer findet.
Eigenwillig und verspielt ist DIETER SEIBTS (*1941, lebt und arbeitet in Bern) Arbeit Metabolica, eine Assemblage verschiedener Medien und Materialen. Seibt bringt Zeichnung, gefundene Objekte und Klänge zu einem stimmungsvollen, farbigen Ganzen zusammen. Die Besuchenden sind eingeladen, die Scheibe zu drehen.
MONICA GERMANNS (*1966, lebt und arbeitet in Zürich) partizipative Installation Time Stretching bedient sich bei Begrifflichkeiten aus der Audiotechnik. Unter Time Streching versteht man eine Funktion, die Länge und Tempo eines Audiostücks bei der Wiedergabe verändert, ohne dabei die Tonhöhe zu beeinflussen. Die Besuchenden sind aufgefordert, sich auf die Bibel zu stellen und mit den Therabändern die Stärkungsübungen zu turnen. Auf humorvolle Weise lädt die Künstlerin zum subjektiven Erfahren der Zeit ein, deren Dauer sich je nach Fitnesslevel unterscheidet.
ANDREA MARIONIS (*1983, lebt und arbeitet in Biel) Arbeit Ratatata, Boom, Bang, Wroooam besteht aus vier Rucksäcken, die mit Komponenten für den Bau einer Bombe bestückt sind sowie einer darüber hängenden Flasche. Das Molotov-Cocktail als explodierende Kraft der Repression, als Notlösung der Unterdrückten interessiert Marioni speziell im Kontext des Krieges, wo Telefonbomben mit einfachen Mitteln aus dem Supermarkt gebaut werden. Zucker, Salpeter und andere frei verfügbare Zutaten entwickeln in den richtigen Mischverhältnissen eine hohe Sprengkraft. Die Gewalt wird in dieser Arbeit in den Kontext der Popkultur und des Tourismus gesetzt, was die Schriftzüge auf den Rucksäcken verdeutlichen.
COLLINE GROSJEAN (*1978, lebt und arbeitet in Genf) tourt mit Mara Krastina und Simone Aubert als Band Massicot durch die Clubs. Die geballte Frauenpower entlädt sich auf der Bühne in lauten Peaks. Ein grosser Gegensatz dazu ist das von der Künstlerin ausgewählte grossformatige Objekt ohne Titel, das mit der Schwerkraft kokettiert. Nur durch Ausgeglichenheit und Ruhe bleiben die Marmorrondellen in Balance.
Am Anfang stand das Gedicht rotblaugrünviolettorangetürkisgoldenlilarosagelb. Das Farbengedicht liegt der visuellen Auseinandersetzung der Künstlerin KA MOSER (*1937, lebt und arbeitet in Bern) zugrunde. Sie arbeitet seit 2006 an computergenerierten Farbbildern mit sich wiederholenden, gespiegelten Mustern. Im Fokus dieser Auseinandersetzung steht die Wahrnehmung von Farbklängen, so auch bei der Arbeit FG-Imago, die hier gezeigt wird.
FRANCISCO SIERRA (*1977, lebt und arbeitet in Cotterd und Bern) zeigt mit Die Bese Flöht ein Werk, das stellvertretend für sein Schaffen stehen könnte. Dort wo Alltagsgegenstände durch einen kleinen Eingriff zum Kunstwerk erhoben werden, dort wo Klang und Bild zusammenkommen, entstehen Sierras surreal anmutende Welten.
LIVIO BAUMGARTNER (*1982, lebt und arbeitet in Zürich) inszeniert seine Serie Transmission aus 22 Fotogrammen auf einer eigens dafür geschaffenen geometrischen Rauminstallation aus Messewänden. In den Fotogrammen, die durch ihre Verspieltheit der Strenge der Installation entgegenhalten, spielt Baumgartner mit Wort und Bild. Im dunklen Labor wandelte er ein Glasfaserkabel, das Nonplusultra der heutigen digitalen Datenverarbeitung, zum analogen Zeichnungsgerät um. Als eine Art verzögerte écriture automatique entstanden Fotogramme aus lautmalerischen Wörtern, die er im Verlauf des Tages aus Gesprächen und aus dem Radio aufgeschnappt hatte.
TOM HUBER (*1976, lebt und arbeitet in Zürich) stattet in Fotosafari Audioguide die Besuchenden mit einer Kamera aus und lädt sie zu einer Entdeckungsreise ein. Eine Stimme führt durch die Umgebung des Ausstellungsraumes und stellt den Teilnehmenden verschiedene fotografische Aufgaben, welche musikalisch begleitet werden. Die entstandenen Bilder werden auf dem Boden ausgelegt und ergänzen so laufend die Ausstellung.
In Project 132 und Project 131 von PETER TILLESSEN (*1969 lebt und arbeitet in Zürich) spielen Leyla Beck Wester und Winley Marazzi auf der selben Bühne parallel nebeneinander zwei unterschiedliche Konzerte, als ob es den anderen nicht gäbe. Die zweiteilige Video-Installationzeigt Frontalaufnahmen der beiden, die synchron abgespielt werden. Entgegen allen Erwartungen vermengen sich die Klänge zu einem harmonischen Ganzen ohne in einer Kakophonie auszuarten.
In Koproduktion mit dem BONE Performance Festival, kuratiert von San Keller