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Cantonale Berne Jura 2020
Anouk, Kyra Tabea Balderer, Beat Feller, Tobias Hauswirth, Bernhard Hegglin, Beat Huber, Paul Hutzli, Hannah Külling, Nicole Michel, Ernestyna Orlowska, Remo Stoller, Ursula Weidmann, Latefa Wiersch
03.03.–13.03.2021

Anlässlich der Cantonale Berne Jura 2020, welche dieses Jahr zeitlich verschoben stattfinden muss, zeigt die Stadtgalerie Arbeiten von Künstler*innen unterschiedlicher Generationen, die sich der Bilderflut und deren Überproduktion von Bedeutung in unserer Zeit auf unterschiedliche Weise aussetzen. In ihrer Praxis beschäftigen sie sich mit den Rahmenbedingungen von Bilderzeugung, -inszenierung und -distribution, dem Verhältnis von Körper, Erinnerung und kollektiver Bildproduktion. Sie kreisen um die Leerstellen und blinden Flecken der Wahrnehmung innerhalb der heutigen Bildpräsenz.

Die Bilder von ANOUK (*1994) bleiben stets informiert durch die materielle Bedingtheit des bildgebenden Verfahrens der Fotografie. Bildträger und Bildraum greifen in ihren ruhigen und doch an Informationen überreichen Bilder ineinander. Das Licht, Voraussetzung für das Abzeichnen von Bildinformation in der Fotografie, wird zur potenziellen Überreizung des Sehorgans in ihren skulpturalen Wandarbeiten Visor I und Visor II (2020). Die Visors erinnern an die Schneebrillen der Inuit und der Yupik. Der schmale Schlitz verhindert einen zu starken Lichteinfall auf das Auge und bestimmt zugleich das Sehfeld, ähnlich der Blende des Fotoapparats.

Die aus gefundenen Kartonschachteln gefertigten Portable Voids (2020) sind Teil einer wiederkehrenden Serie in der Arbeit von BEAT HUBER (*1956), innerhalb der sie ihre eigene Ökonomie entfalten: Sie können Display, Skulptur, Tisch oder Wandarbeit sein und performative Möglichkeiten eröffnen. Als Dinge die transportiert, konserviert und gelagert werden müssen, sind Kunstwerke oft träge Gegenstände. Die Portable Voids und andere Arbeiten des Künstlers koppeln sich an industriell normierte Materialien und gewinnen ihnen eine inhärente poetische Leichtigkeit ab. Sie besitzen eine situative und migrierende Ortslosigkeit und sind flüchtige Begleiter.

TOBIAS HAUSWIRTH (*1998) richtet seinen Blick auf Räume, die nach Körpern verlangen. Die Vorhänge in seinen Gemälden sind zwar offen, doch hinter ihnen breitet sich nur ein wenig definierter Schattenraum aus. Sie sind hoch und eng, ähneln eher Pforten und geben damit nur bedingt einen Blick hinter die Kulissen frei. Auf einen Auftritt zu warten ist hoffnungslos, es bleiben nur die Betrachtenden und die Bühne.

Die drei kleinen Gruppen von URSULA WEIDMANN (*1955) lassen in ihrer Stille viel Imagination zu. So schauen die portraitierten Stofftiere in Souvenirs – dass es Tiere weit weg gibt (2019–2020) sich gleichzeitig konspirativ gegenseitig an als auch aus ihrem Kreis hinaus. Durch die mediale Verschiebung der unterschiedlichen Spielzeuge bekommen diese eine zusätzliche ephemere Qualität und werden je nach Leseart zu Laternen, Karussellen oder Séancen arrangiert, die gleichzeitig hochgradig spezifisch wie archetypisch erscheinen.

KYRA TABEA BALDERER (*1984) verbindet in ihrer Praxis Installation, Skulptur, Malerei und Fotografie. Im Studio vor der Grossformatkamera arrangiert die Künstlerin unter einer akribischen Lichtführung industrielle und bearbeitete Materialien zu Assemblagen, die in die Ausschnitthaftigkeit des fotografischen Bilds überführt werden. Es entstehen entrückte und artifiziell wirkende Bildwelten, in denen Studio- und Werbefotografie, Malerei und Skulptur einen gemeinsamen Bildraum finden.

In REMO STOLLERS (*1977) Arbeiten erscheinen Bilder als Schnittstelle in die Tiefen des zweidimensionalen Bildraums, ein virtueller Raum den alle Bilder gemeinsam teilen. Der Übergang zwischen Bild- und Realraum ist gleichzeitig trivial wie wundersam. Die Arbeit Fulfillment Engine / Erfüllungsmaschine (2020) ist eine Bildmaschine die Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches kombiniert, wie das Internet oder ein Antiquariat.

Durch neue Öffnungen leitet BEAT FELLER (*1955) den Blick durch zuvor kontinuierliche Oberflächen in den Raum dahinter. Die exakt geschnittenen Aussparungen erzeugen eigene Strukturen, die sich mit dem sichtbaren Material überschneiden. Die Objekte behalten dabei einen Teil ihrer eigenen Vorgeschichte und befinden sich damit an einer Schnittstelle von realen Spuren und imaginierten Geometrien.

Der aus den Überresten eines alten Schranks gezimmerte Hochspannungsmasten steht mit abgespreizten Armen da, bereit für eine Leibesvisitation, oder als würde er die Zeichnungen die an ihm runterhängen, feilbieten. Entstanden sind die Blätter 2008 während BERNHARD HEGGLINS (*1989) Studium in Bern, beeinflusst durch die Räumlichkeiten des ehemaligen Standorts der HKB im Primarschulhaus Enge-Felsenau. Ten Years (2018) umfasst jene Zeitspanne einer Künstler*innenlaufbahn, die wie keine andere mit Erwartungen überladen ist. Die Skulptur kehrt diese Narration um, und wie in anderen seiner Arbeiten wird sie zum Witz ohne Pointe, die einen mit dem Gefühl des Unaufgelösten und der Beklemmung zurücklässt.

NICOLE MICHEL (*1984) komponiert grosse, expressive, oft widerspenstige Collagearbeiten. Die Collage Quarz (2019) besteht aus Fragmenten von (Medien-) Bildern und Malerei (es sind Ausschnitte aus alten Skizzenbüchern, wie auch neu dafür hergestellte Stücke) und Nebenprodukte anderer Arbeiten, wodurch der Schaffensprozess der Künstlerin selbst als Ressource erschlossen wird. Durch wiederholte Sedimentierung verschiedener Formen verdichtet sich das Bild zu einem schillernden Panorama, welches unterschiedliche Betrachtungsstufen und -distanzen erlaubt.

Mit Spaghetti Jeans Series: Pants for the Man on the 100 CHF Bill (2020) treibt ERNESTYNA ORLOVSKA (*1987) Körper- und Fashionkultur auf die Spitze: Schlanker und enger, bis die Kleidung nach der abstrakten Silhouette einer Alberto Giacometti-Skulptur verlangt. Der früher unverwüstliche Denimstoff, heute zu einem Inbegriff von Fast Fashion geworden, wird hier noch weiter beschleunigt. Genäht aus den Abschnitten anderer Kostümprojekte werden die Jeans zu ihren eigenen Entitäten und greifen über die menschlichen Begrenzungen hinaus in einen transhumanistischen Raum.

Mélange_Teil 1_Wallach_etc (1975-2019) ist Teil einer Werkserie von HANNAH KÜLLING (*1965) in der sie Materialien aus ihrem eigenen Archiv miteinander kombiniert. Die Tierposter aus dem Kinderzimmer von 1975 umrahmen dabei ein Selbstbildnis, das die Künstlerin mit einer Skulptur von Hannah Goll, ihrem Alter Ego zeigt. Die liegende Figur war bereits 2012 in der Stadtgalerie zu Gast und wurde 2020 für eine andere Arbeit aufgelöst. Bilder aus der persönlichen und öffentlichen Erinnerung vermischen sich, und obgleich sie immer nur vergangene Zustände abbilden können, besteht immer die Verlockung, aus den Eindrücken eigene Schlüsse zu ziehen.

Die Puppen in LATEFA WIERSCHS (*1982) Arbeiten folgen uns vertrauten, menschlichen Impulsen, die uns durch die anorganische Materialität ihrer Körper beinahe als eine unheimliche Mechanik erscheinen. Ihre Arbeiten spielen mit den Kategorien «Belebt» und «Unbelebt» und kehren die Verhältnisse zwischen Körper und Objekt, Vertrautem und Befremdendem um. Im Video Monsterhood Part II Sennentuntschi, a cultural appropriation (2020) wird die im ganzen Alpenraum verbreitete Sage zur Ausgangslage einer Beschäftigung mit dem hybriden (weiblichen) Körper in einer zunehmend technisierten Gegenwart, in der sich die Grenze zwischen Organismus und Technologie zersetzt.

PAUL HUTZLI (*1992) spielt mit den Konventionen von Zeichnung und Malerei. Seine Arbeit Peckin Duck (2020) erscheint mühelos in ihrem Aufbau, lässt die konzentrierte Intention aber erahnen. Basierend auf einem persönlichen Vokabular nimmt die beinahe kalligraphierte Ente Bezug auf klassische Naturdarstellungen und karnevaleskes Handwerk, ohne eine Tradition in ihrer Wertigkeit über die andere zu stellen.

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Kuratiert von Christoph Studer und Luca Beeler

Weitere Informationen zur Cantonale: www.cantonale.ch

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