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Cantonale Berne Jura 2016: hold on
Amélie Bodenmann / Nicolas Raufaste, Claudia Breitschmid, Livio Casanova, Marco Eberle, Beat Feller, Jan Hostettler, Andreas Jäggi, Alexander Jaquemet, Christophe Lambert / Monsignore Dies, Selina Lutz, Ivan Mitrovic, Karen Amanda Moser, Susanne Muller, Pause ohne Ende, Bianca Pedrina, Rebecca, Nina Líška Rieben, Gabriela Weidmann
16.12.2016–28.01.2017

Auch dieses Jahr schliesst sich unser Ausstellungsprogramm mit der Cantonale Berne Jura. Die von bernischen und jurassischen Kunstinstitutionen gemeinsam organisierte Weihnachtsausstellung präsentiert dem Publikum verteilt auf verschiedene Kunstorte auch in ihrem sechsten Jahr eine Vielfalt zeitgenössischer Kunstproduktion aus den Regionen und fördert den Austausch unter den Kunstszenen. In der Stadtgalerie ist die Cantonale Berne Jura erneut thematisch kuratiert. Unter dem Titel hold on versammeln sich Werke, die als inhaltliche oder formale Zustände die Zeit befragen und verdeutlichen, wie sich in ihr und durch sie Orte, Richtungen und Bedeutungen verändern. Erinnerungsmaterial wird dabei zu einem Bild im Jetzt, das Vergangenes aktualisiert. Kurze Momente werden festgehalten und verlängert, während sich lange Prozesse kondensieren. Spontanes trifft auf Repetition, die dem Stillstand gleicht und Gegenwärtiges wird in die Zukunft geschoben, neu begonnen oder aufgelöst.

Tropikanisches Rennen ist ein Auszug der fotografischen Korrespondenz zwischen AMÉLIE BODENMANN (*1991 in Basel, lebt und arbeitet in Bern) und NICOLAS RAUFASTE (*1988 in Pompaples, lebt und arbeitet in Biel). Diese besteht aus einer sich seit Mai 2015 stetig erweiternden Sammlung digitaler Fotos von im öffentlichen oder privaten Raum gefundenen Bananenschalen. Die Kunstschaffenden halten sie jeweils mit dem Handy fest und schicken sie sich gegenseitig zu. Die Banane ist die meist verzehrte Frucht in der Schweiz. Sie ist gleichzeitig Kulturgut und Symbol für die globalisierte Welt. Der Werktitel nimmt Bezug auf die durch Monokulturen verursachte Krankheit Tropical Race 4, welche die Existenz der Frucht gefährdet. Das Sammeln der Schalen bedingt aufmerksames Bewegen im Raum und hält die bedrohte Frucht fotografisch für die Zukunft fest.

Ausgangslage für die Werkgruppe Treffen der Dinge (2015 – 2016) von CLAUDIA BREITSCHMID (*1983 in Aarau, lebt und arbeitet in Zürich) ist das Sammlungsdepot des Historischen Museums Baden. Während zwei Jahren hat sich die Künstlerin mit dem Inventar auseinandergesetzt und die dortigen Objekte in den angetroffenen Konstellationen fotografiert – eine Entdeckungsreise zwischen Kisten, Regalen, Statuen, Möbelstücken, Gemälden, Skulpturen und anderem Archivgut. Die Künstlerin geht der Frage nach, wie sich Bedeutungsebenen von Objekten durch ihren räumlichen Kontext verändern. Dabei bearbeitet sie die Fotografien mittels verschiedener Siebdruckschichten, wodurch sie den Bildern einen Objektcharakter verleiht, der durch die räumliche Installation verstärkt wird. Die sich teilweise überlagernden und verschiebbaren Bilder bilden Ensembles, die provisorisch oder irritierend scheinen – ähnlich wie im Depot, wo Dinge ohne erkennbare Logik nebeneinander gelagert sind, nicht zusammenpassen und keine definitive Ordnung haben.

Die Arbeit Suspended Sign (2013 — 2016) von LIVIO CASANOVA (*1989 in Siat, lebt in Bern und arbeitet in Worblaufen) besteht aus mehreren an Speere erinnernde Objekte, die horizontal von der Decke hängen. Die archaische Steinspitze steht dabei in einem starken Kontrast zum filigranen roten Schaft des Speers, der die angedeutete Wurf-Funktion des Objekts infrage stellt. Als Pfeile gelesen zeigen die Objekte in unterschiedliche Richtungen, die sich so gegenseitig aufheben. Die Pfeile scheinen daher nicht Bewegung anzudeuten, sondern den Moment des Stillstands zu markieren.

Der Werktitel der Skulptur von MARCO EBERLE (*1968 in Grabs, lebt und arbeitet in Roggwil) gleicht einer Verheissung: Optimierung (2016). Durch das Zusammenschweissen zweier Giesskannen erhöht sich das Fassvolumen, ein neues, effizienter aussehendes Objekt entsteht. Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass das Objekt die Arbeit weder erleichtert noch beschleunigt, es entpuppt sich als eine Pseudo-Optimierung.

Die Skulptur Abfassung (2016) von BEAT FELLER (*1955 in Bern, lebt und arbeitet in Bern) ist scheinbar in sich geschlossen. Bestehend aus Metallstangen und Gummischläuchen, sind alle möglichen Anfangs- und Endpunkte der Skulptur ineinandergeschoben. Die Arbeit erinnert daher an eine Endlosschleife, wobei die Skulptur durch ihre verschiedenen möglichen Abläufe komplex und unschlüssig scheint.

In den Ruinen der dakischen Provinzhauptstadt Ulpia Traiana – dem heutigen Sarmizegetusa in Rumänien – fand JAN HOSTETTLER (*1988 in Solothurn, lebt und arbeitet in Basel) einen römischen Bodenziegel aus gebranntem Ton. Das gefundene Objekt verarbeitete der Künstler zu Pigment, um das Objekt als Malerei auf die Leinwand zu übertragen. Sarmizegetusa (2015) bildet den Ziegel nicht ab, sondern verkörpert ihn in einem anderen Zustand, verändert in seiner Dimension und Materialität. Durch die Zerstörung des Ursprungsobjekts und seine anschliessende Verarbeitung wurde es in einer neuen und unwiderruflichen Form konserviert.

ANDREAS JÄGGI (*1989 in Schaffhausen, lebt und arbeitet in Ligerz) kommentiert mit Yummy Yummy, It‘s Contemporary (2016) den Begriff des Zeitgenössischen mit einem Buffet. Auf einem Servierwagen befinden sich ein grosser schwarzer Gelatineblock und einige sauber angeordnete Teller und Gabeln. Nüchtern, reduziert und unberührt – so könnte man gewisse Kunst beschreiben – wird auch die servierte Gelatine nicht gegessen. Diese zersetzt sich im Laufe der Ausstellung unter Schimmel und Geruchsbildung und dient als Parodie oder Sinnbild dafür, wie jedes Frische und Zeitgenössische seinen Weg in eine Endlichkeit finden kann.

Die Werkserie Aquarelle Experimente mit Zeit und Licht — und mit der Fotografie (2012 — 2016) begann ALEXANDER JAQUEMET (*1978 in Biel, lebt und arbeitet in Erlach) auf den Lofoten. Das Format der Bilder erinnert stark an das gängige Vergrösserungsformat von Kleinbildfilmen in der Fotografie. Anders als bei seinen Landschaftsfotografien bietet das Aquarellieren dem Künstler Zeit, mehrere Licht- und Wetterstimmungen zur perfekten Bildkomposition verschmelzen zu lassen. Das Entstehen der Aquarelle vergleicht Jaquemet dennoch mit dem Entwicklungsprozess der analogen Fotografie: Das Langsame, das Suchende und die Aufmerksamkeit für bestimmte Stimmungen sind bei ihm sowohl in der Fotografie als auch in den Aquarellen zentral.

Cochon Rodeo ist ein kulinarisches Projekt der beiden Künstler CHRISTOPHE LAMBERT (*1970 in La Chaux-de- Fonds, lebt und arbeitet in Villeret) und MONSIGNORE DIES (*1969 in Lengnau, lebt und arbeitet in Biel), das sich rund um die essbaren Teile des Schweins dreht. Seit 2015 realisieren sie an unterschiedlichen Orten temporäre Restaurants, in denen sie unterschiedliche Teile des Schweins als Mahlzeit servieren. Um ihr Projekt bewerben zu können entstand im ehemaligen Schlachthof von La Chaux-de-Fonds eine erste Fotoserie. Diese sowie Überreste der temporären Gaststätten sind in der Arbeit Cochon Rodeo – Print Cabinet (2016) versammelt und hinterlassen Spuren der vergangenen Ereignisse.

Die Arbeit Katalog ungetaner Werke (2014 —) von SELINA LUTZ (*1979 in Zürich, lebt in Bern und arbeitet in Worblaufen) versammelt eine Reihe nicht realisierter Ideen. In schriftlicher Form festgehalten, sprechen die ungetanen Werke nicht nur über das Vorgestellte, wie es aussehen soll, was geschehen soll, sondern auch über die Erwartungen und Bedingungen der eigenen künstlerischen Praxis. Wunschbilder und Utopien vermischen sich mit der Frage warum etwas nicht geschieht und implizieren ein mögliches Zögern oder Zweifeln. Während einerseits unklar bleibt, ob die Künstlerin die Werke auch in Zukunft ungetan lässt, vermischt sich im Jetzt die Beschreibung der Künstlerin mit der Vorstellung der Lesenden, wodurch das nicht Realisierte eine erste und aktuelle Realisation erhält.

IVAN MITROVIC (*1985 in Basel, lebt in Basel und arbeitet in Ostermundigen) nutzt als Vorlagen für seine Malerei Kritzeleien von Notizzetteln, die er bei Freunden oder auf der Strasse findet. Der Künstler interessiert sich dabei für den flüchtigen, teils unwichtigen oder unbewussten Charakter solcher Skizzen. Die erste Skizze einer Beziehung ist bei Mitrovics First sketch of a relationship (2016) somit nicht ein romantisches oder idealisiertes Bild, sondern eine spontane und ungekünstelte, vielleicht auch unvermögende Aufzeichnung eines Zustands, der so genau noch nicht festgelegt werden kann. Die aus mehreren Teilen zusammengenähte Leinwand unterstützt dabei die Stimmung eines Beziehungsanfangs, wo zwei Menschen mit ihren Geschichten und Eigenschaften nach und nach zu einem Paar zusammenwachsen.

Die Arbeit von KAREN AMANDA MOSER (*1988 in Thun, lebt und arbeitet in Antwerpen und Bern) besteht aus ihrem Titel The sum of your unnecessary steps (2016), der sich als Stempeldruck auf dem Handgelenk der Besucher manifestiert. Die Zeitlichkeit und der Ort verschieben sich dabei mit der Person die den Stempel trägt, er begleitet sie während und nach der Ausstellung bis die Farbe verblasst. Auch der Inhalt der Arbeit ergibt sich für jede Person anders, abhängig von der eigenen Definition und Aufmerksamkeit sammeln sich unter dem Titel alle als unnütz empfundenen Schritte.

vor ankommen wird gewarnt (2015) – Die Arbeit von SUSANNE MULLER (*1953 in Baden, lebt und arbeitet in Prêles und Berlin) leuchtet einem als blaue Neonschrift entgegen. Die Warnung vor dem Ankommen betont den Weg als Ziel, sei es der persönliche, der einer künstlerischen Produktion oder auch der Weg durch eine Ausstellung, bei der man weniger ein gewisses Ziel im Auge hat, als dass die Ausstellung einem neue Wege und Ansichten eröffnet. Trotz dieser Warnung vor dem Ankommen manifestiert sich die Arbeit wie eine Aufforderung in einer definitiv wirkenden und klaren Form.

Ähnlich der Strafe, die Sisyphus ereilt hatte, geht es dem Hund in der Arbeit Overworked Dog (2016), wobei nicht klar ist, ob er etwas und allenfalls was er denn verbrochen hat, dass PAUSE OHNE ENDE (Matthias Hachen *1982 in Riggisberg / Mischa Hedinger *1984 in Jegenstorf, leben und arbeiten in Bern und Zürich) es so eingerichtet haben, dass er nicht an den Knochen kommt. Gefangen in einem sinnlosen, sich endlos wiederholenden Verhaltensmuster und ohne Aussicht auf Erfolg, erinnert er nicht ohne Humor an den gesellschaftlichen Stereotypen des 24/7– Menschen, der vor lauter Ambitionen den Sinn und das Ziel der Tätigkeit verliert.

In der Arbeit Haus aus Sand (2015) portraitiert BIANCA PEDRINA (*1985 in Basel, lebt in Wien und Basel) das Basler Münster. Im Fokus stehen dabei die Spuren, die sich über Jahrhunderte in die Oberflächen und architektonischen Strukturen der Kirche eingeschrieben haben, sowie die stetigen Veränderungen, die das Baudenkmal bis heute erfährt. In beinahe stillstehenden Sequenzen geschieht eine langsame und genaue Untersuchung des Gebäudes und dessen Spuren, eine Abfolge visueller Berührungen, die das Haus als einen die Zeit überdauernden Ort festhält und dessen Geschichte erzählt.

I wanna make it last forever (2016) von REBECCA (*1986 in Bern, lebt und arbeitet in Bern) ist ein Diptychon aus zwei Fotografien. Beide zeigen den gleichen Ausschnitt im Atelier der Künstlerin. Auf dem linken Bild lehnt ein Kreuz aus zwei weissen Stäben vor einer orange gestrichenen Wand. Das rechte Bild zeigt dieselbe Anordnung, wobei zusätzlich die Position des Kreuzes mit weissem Spray auf der Wand markiert wurde. Rebecca hält mit ihrer Arbeit mehrmals fest, was verschwinden wird: Einerseits wird das weisse Kreuz aus Stäben mittels Farbe konserviert, andererseits dokumentiert die Fotografie diese Markierung, weil auch die Wand selbst nicht bleiben wird – 2017 wird das Gebäude, in dem sich das Atelier befindet, abgerissen.

Auftritt über Alles (2016) von NINA LÍŠKA RIEBEN (*1992 in Bern, lebt und arbeitet in Bern) zeigt die ungeschnittene Videoaufnahme eines Versuchs, das gleichnamige Gedicht als Sprechakt in einem behelfsmässigen, bühnenartigen Setting zu inszenieren, inklusive Anweisungen durch einen Regisseur aus dem Off. Fehlversuche, Neuanfänge aber auch Wiederholungen einzelner Strophen bestimmen dabei die Struktur. Die Dialoge zwischen der Sprecherin und dem Regisseur in Umgangssprache stehen im Gegensatz zur inszenierten Sprache beim Vortragen des Gedichtes. In der Gesamtheit entsteht ein Akt zwischen Intention und Zufälligkeit.

Die Fotografie True BlueTricks (2016) von GABRIELA WEIDMANN (*1979 in Bern, lebt und arbeitet in Bern) hält den flüchtigen Ablauf eines Tricks als fotografischen Moment fest. Im Bild zeichnet sich dabei ab, dass etwas passiert oder passieren wird, aber nicht was es ist, oder was mit den zwei Zündhölzern geschehen wird. Ähnlich wie der Trick selbst, dem man nicht auf den Grund kommt, liegen dem Bild eine Erwartung und ein Geheimnis inne, dem man in der Vorstellung nachgehen will.

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